Jahrgang 2005
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Die "D-paintings", die vor fünf Jahren erstmals im Max Ernst Kabinett der Stadt Brühl zu sehen waren und nun von der Kreissparkasse Köln erworben wurden, um sie im Max Ernst Museum zu zeigen, sind ein außergewöhnliches Konvolut. 34 Jahre lang erhielt Dorothea Tanning diese Bilder, auf denen jeweils der Anfangsbuchstabe ihres Vornamens zu entdecken ist. Das Konvolut erlaubt aber nicht nur einen intensiven Blick auf das Werk der amerikanischen Zeit sowie auf die anschließenden Jahre in Frankreich, sondern fasst auch die enorme Vielfalt der auf ein indirektes Vorgehen angelegten Techniken des Künstlers zusammen: Décalcomanie, Grattage, Collage, Objekt-Assemblage und Frottage, die als Quellen der Inspiration dienen, können anhand der Werkgruppe erläutert werden.
 
Das erste "D-painting" entstand 1943 und basiert auf der Abklatsch-Prozedur der Décal-comanie. Der Surrealist Oscar Dominguez hatte diese indirekte, weitgehend vom Zufall bestimmte Technik 1936 erprobt. Ergebnisse dieses Verfahrens der Bildgewinnung wurden in der Zeitschrift "Minotaure" veröffentlicht und André Breton erläuterte in einem begleitenden Artikel das Vorgehen: "Es handelt sich auch hier wieder um ein Rezept, das jedem zur Verfügung steht, der in die "Geheimnisse der surrealistischen Zauberkunst" eingeweiht werden möchte. Verteilen Sie mit einem breiten Pinsel schwarze Gouache, an verschiedenen Stellen verschieden verdünnt, auf ein Blatt weißes Glanzpapier, und bedecken Sie es sogleich mit einem zweiten Blatt, auf das Sie mit dem Handrücken einen nicht zu starken Druck ausüben. Heben Sie langsam vom oberen Rand her dieses zweite Blatt ab, so wie man bei Abziehbildern verfährt, und legen Sie es wieder auf, heben es wieder ab bis alles fast ganz getrocknet ist. Das, was Sie da vor sich haben, ist vielleicht nichts weiter als die alte paranoische Wand von da Vinci, aber es ist diese Wand in ihrer Vollendung."
 
Erste Arbeiten in Les Milles
 
Noch vor der Flucht nach Amerika hatte Max Ernst 1939 im Internierungslager Les Milles angefangen, mit dieser inspirationsanregenden Prozedur zu arbeiten. Die ersten Gemälde, an denen er in New York arbeitete, setzten die Befragung der so gewonnenen Texturen fort. In seinem Gemälde "D 1943" verwendete der Künstler statt Papier eine Holzplatte als Bildträger sowie eine Glasscheibe als Arbeitsgerät für den Abklatsch. Die Strukturen, die so entstanden waren, wurden von ihm als zwei Felsformationen im Vordergrund des Bildes gedeutet, indem er zwischen ihnen und am oberen Bildrand einen blauen Himmel hinzufügte. In den Felsstrukturen sah er zwei Gestalten: links einen Vogel mit auffälligem Auge und spitzem Schnabel, rechts das Profil eines weiblichen Gesichts mit Augenbraue, Nase, Mund und Kinn. Beide sind einander zugewandt, in ein Zwiegespräch vertieft. Während die Frauengestalt durch ein "D" gekrönt und als Dorothea identifizierbar ist, charakterisiert sich der Künstler durch sein Emblemtier, den Vogel. Ein leuchtend gelbes Gestirn verbindet beide. Wie die fahlblauen Krater am unteren Rand der Kreisfläche verraten, ist nicht die Sonne, sondern der Vollmond dargestellt. Die Begegnung des Liebespaares findet in einer erleuchteten Nacht statt. Bewusst wird hier wie auch in weiteren "D-paintings"der Zauber der Liebe mit der von den Surrealisten bevorzugten Zeit der Träume sowie zusätzlich mit dem Licht der Erkenntnis gekoppelt.
 
Dr. Jürgen Pech

 

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