Jahrgang 2006
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"Ich freue mich, wenn ich tolle Autoren habe, denen ich dienen kann"

Wenn Günter Lamprecht in seiner Jugend reiten gelernt hätte, würde er heute vielleicht nicht vor den Toren Brühls in Bornheim wohnen. Denn im Jahre 1974 hatte der Schauspieler eine Rolle in der Karl-May-TV-Verfilmung "Der Schut" angenommen. Die Sache hatte jedoch einen Haken. Sein Part verlangte von ihm, dass er sich sicher im Sattel eines Pferdes halten konnte. Was er nicht ohne größere Probleme konnte. So musste er Reitunterricht nehmen. Und wie der Zufall es wollte, tat er dies beim Reitlehrer Mumm auf dem Reiterhof in Blessem.
 
"Mir hat die Gegend von Anfang an gut gefallen", sagt Günter Lamprecht. "Ich habe dann später immer den Immobilienmarkt beobachtet und vor ein paar Jahren schließlich zugegriffen, als sich mir die Gelegenheit bot, in Bornheim eine Wohnung zu kaufen." Der gebürtige Berliner hatte sich nach Jahren des Großstadtlebens nach der ländlichen Idylle gesehnt. "Ich habe die Ruhe und einen Bezug zur Natur gesucht." Beides hat er nun gefunden.
 
Von seinem Bornheimer Domizil aus bricht er nun auf, um Engagements für Theater- oder Filmrollen in ganz Deutschland anzutreten oder auch, um einmal für seine neue Heimatstadt die Werbetrommel zu rühren. So wie für die Aktion "Brühl-Bornheimer Blauspargel". "Diese Aktion wurde über den Maler Thomas Reschke an mich herangetragen", erzählt Günter Lamprecht. "Er hat mich angesprochen, weil er noch auf der Suche nach einer Persönlichkeit war, die er gerne in seinem Atelier künstlerisch verarbeiten wollte. Ich habe ihn dann besucht und mitgemacht." Also posierte Günter Lamprecht jetzt mit den Bürgermeistern beider Städte auf Presseterminen und war auch dabei, als Ende April die Auftaktveranstaltung in Bornheim stattfand.
 
In Bornheim-Merten wohnt der 76-jährige Schauspieler seit einigen Jahren, in Brühl hat er aber schon Ende der sechziger Jahre gearbeitet. "Bevor ich zum ersten Mal nach Brühl kam, wusste ich schon einiges über die Stadt", berichtet Günter Lamprecht. "Ich habe 1953 in der Berliner Max-Reinhardt-Theatergruppe einen Brühler Mitschüler kennengelernt. Wir haben ihn Mecki genannt. Und wir haben uns immer gewundert, dass der schrecklich nervös wurde, sobald die Karnevalszeit begann. Damit konnten wir in Berlin natürlich gar nichts anfangen. Aber Mecki hat immer vom Karneval geschwärmt. Das war sozusagen meine erste Begegnung mit Brühl."
 
Später war Günter Lamprecht dann zu Dreharbeiten in Brühl. Zusammen mit Hannelore Hoger drehte er 1969 den TV-Film "Der Pott". "Damals war das Schloss noch gar nicht wieder vollständig in Stand gesetzt. Einige Schäden waren noch zu sehen", erinnert sich Günter Lamprecht. "Da wurde seinerzeit für den Film ein Lazarett im Schloss eingerichtet. Ich spielte einen gewissen Teddy, einen englischen Fußballspieler, der sein Augenlicht verloren hatte und im Lazarett seine Kameraden besuchte."
 
Zahlreiche Ehrungen
 
Bei allem Respekt vor dem "Pott", Günter Lamprecht hat mit vielen anderen Filmen sicherlich weit mehr Eindruck und bleibende Erinnerungen hinterlassen als mit dieser Produktion. Seit über dreißig Jahren gehört der Schauspieler zu den gefragtesten und anerkanntesten Darstellern in Deutschland. Unvergessen ist sein Franz Biberkopf in der Mammut-TV-Verfilmung von "Berlin Alexanderplatz" unter der Regie von Rainer Werner Fassbinder. Lamprecht spielte in Wolfgang Petersens "Das Boot" mit, er war in "Epsteins Nacht", in "Comedian Harmonists", in zahlreichen Tatort-Krimis, in sozialkritischen Filmen wie "Rückfälle" oder "Das Brot des Bäckers" und vor allem in weiteren Fassbinder-Filmen wie "Welt am Draht", "Martha" oder "Die Ehe der Maria Braun" zu sehen.
 
Günter Lamprecht hat sich stets gewissenhaft auf seine Rollen vorbereitet und kaum einmal ein Filmangebot wegen des Geldes angenommen. Seine intensive Schauspielkunst wurde mehrfach mit überschwenglichem Kritikerlob und Preisen bedacht. So erhielt Lamprecht u.a. 1978 und 2000 die "Goldene Kamera" und 1982 aus den Händen von Maximilian Schell den "Deutschen Darstellerpreis". 1983 wurde er von der amerikanischen Zeitschrift "Village Voice" neben Robert de Niro und Ben Kingsley als Schauspieler des Jahres ausgezeichnet. Außerdem wurde ihm 2001 der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und 1996 der Verdienstorden Berlins verliehen.
 
Sparringpartner von Bubi Scholz
 
Man nimmt Günter Lamprecht seine Filmcharaktere ab. Oft hat er den einfachen Mann aus dem Volk gespielt. Seine Glaubwürdigkeit resultiert nicht nur aus seiner großen künstlerischen Begabung, sondern sicherlich auch aus seiner Herkunft. Er stammt aus einfachen Verhältnissen und jobbte u.a. als Dachdecker, Arbeiter in einer Knopffabrik, als Taxifahrer, als Orthopädiehandwerker und als Amateurboxer. Anfang der fünfziger Jahre trainierte er mit dem berühmten Bubi Scholz. "Ich habe 22 Kämpfe bestritten und alle gewonnen", sagt der auch heute noch körperlich topfitte Lamprecht.
 
Er nahm Schauspielunterricht, bekam ein Stipendium an der Max-Reinhardt-Schule, debütierte am Berliner Schillertheater und spielte zahlreiche Nebenrollen in Filmproduktionen. Seine ersten großen Hauptrollen kamen in den siebziger Jahren, als ihm der "Durchbruch" zum Star gelang. In "Rückfälle" (1977, Regie Peter Beauvais) liefert er eine eindrucksvolle Darstellung eines Trinkers ab. Der Film gilt als einer der besten Filme zum Thema Alkoholsucht und brachte Lamprecht große Anerkennung bei den "Anonymen Alkoholikern" ein. Für das "Brot des Bäckers" (1976, Regie Erwin Keusch) ging er zur Vorbereitung 14 Tage in eine Backstube und futterte sich 30 Pfund an.
 
Dann kamen die Rollen in den Fassbinder-Filmen. "Das Besondere an Fassbinder war in allererster Linie dessen Spontaneität", sagt Günter Lamprecht. "Es wurde viel geprobt, aber wenn es ans Drehen ging, gab es meistens genau eine Einstellung, und dann war Schluss. Er hatte beim Dreh richtig Lust an der Arbeit. Er hat vor Aufregung gezittert, wenn es an die nächste Einstellung ging. Nach den Dreharbeiten zum Alexanderplatz habe ich gesagt: Jetzt brauche ich erst einmal zwei Jahre Pause vor dir."
 
In dieser Zeit flatterten Günter Lamprecht auch Angebote aus Hollywood ins Haus. Doch es war nicht das richtige für ihn dabei. "Finanziell war es lukrativ. Einmal sollte ich den Göring spielen, aber das war eher eine Knallcharge. Ich habe es abgelehnt, weil das Buch zu schlecht war." Günter Lamprecht blieb lieber in Deutschland und setzte immer wieder im Kino und Fernsehen Glanzlichter. In rund 130 Produktionen hat er mitgewirkt und dabei meistens auf die Qualität geachtet. "Gut, ich bin auch einmal auf dem Traumschiff sechs Wochen durch die Karibik geschippert. Das war nach anstrengenden Rollen fast schon eine gut bezahlte Erholung, für die ich übrigens hämische Kommentare von der Bildzeitung einstecken musste", lacht Günter Lamprecht. "Aber von den 130 Produktionen habe ich höchstens zwanzig wegen des Geldes gemacht. Ansonsten habe ich mich immer für anspruchsvolle, sozialkritische Themen interessiert. Ich freue mich, wenn ich tolle Autoren habe, denen ich dienen kann."
 
Bekannt als Tatort-Kommissar
 
Große Popularität genoss er auch durch seine Rolle als Tatort-Kommissar Franz Markowitz, dessen Figur er selbst entwickelt hatte, neunmal im Fernsehen spielte und anschließend in zwei selbstgeschriebenen Stücken auf die Theaterbühne brachte. Damit gastierte er auch 1999 in Bad Reichenhall, wo er zufällig in die schreckliche Schießerei eines jugendlichen Amokschützen geriet und zusammen mit seiner Lebensgefährtin von mehreren Kugeln schwer verletzt wurde. Vier Menschen starben damals. Günter Lamprecht brauchte einige Zeit, um dieses Unglück zu überwinden. Auch jetzt noch ärgert er sich darüber, dass der Fall nie gerichtlich untersucht wurde.
 
Und was macht Günter Lamprecht heute? Er hat gerade einen neuen Kurzfilm mit dem Titel "Der Fährmeister" in Norddeutschland abgedreht. "Es ist ein sehr philosophischer Film über einen Bestattungsunternehmer und das Leben nach dem Tod. Regie führte Jörg Bruhn", berichtet Günter Lamprecht. Außerdem gehört der Schauspieler der nach amerikanischem Vorbild vor wenigen Jahren ins Leben gerufenen Deutschen Filmakademie an, deren Gründungsmitglied er ist. Vor kurzem musste er sich als Jurymitglied innerhalb weniger Tage 36 deutsche Spielfilme anschauen, die für einen Preis nominiert waren. Am besten gefallen hat ihm "Das Leben der anderen". Und schließlich schreibt er nach dem 2002 erschienenen ersten Teil seiner Autobiografie ("Und wehmütig bin ich immer noch") nun die Fortsetzung, die im kommenden Jahr erscheinen soll.
 
An Arbeit und Aufgaben mangelt es Günter Lamprecht nicht. Sein Tag beginnt schon um fünf Uhr früh. Dann steht er auf und fährt auch so häufig es geht nach Brühl ins KarlsBad. Dort mischt er sich unter die Frühschwimmer und zieht 40 Minuten lang seine Bahnen. "Ich genieße die Ruhe und Fried-
 
lichkeit", sagt er. Schöner kann für ihn ein Tag nicht beginnen.
 
Tobias Gonscherowski
 

 

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