Jahrgang 2006
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Die neue Serie, die der Kunsthistoriker Dr. Jürgen Pech für den Brühler Bilderbogen” verfasst, verwebt die Lebensstationen des Künstlers mit verschiedenen Ereignissen der Zeit. Das Kaleidoskop aus Bildern, Dokumenten, Zitaten und Texten breitet biographische Fakten vor einem zeitgeschichtlichen Hintergrund aus: Geschichte und Geschichten bilden so die Pole der aktuellen Folgen im Brühler Bilderbogen”.
 
Max Ernst wird am 2. April 1891 um 9.45 Uhr in Brühl bei Köln in der Schloßstraße 21 als Sohn des Taubstummenlehrers Philipp Ernst und seiner Frau Luise (geb. Kopp) geboren. Das Ehepaar hat neun Kinder, von denen zwei kurz nach der Geburt sterben und ein weiteres nur sechs Jahre alt wird. Er ist der älteste Sohn, dessen Lieblingsschwester die jüngste Tochter ist, das 1906 geborene Nesthäkchen Loni. Die Jugend- und Schulzeit verbringt Max Ernst in Brühl. Er besucht dort ab 1897 die Übungsschule des Brühler Lehrerseminars und ab 1900 das städtische Gymnasium. Schon sehr früh erhält er Malunterricht durch seinen Vater, der in seiner Freizeit als Autodidakt zeichnet und malt. Es ist die wilhelminische Ära in Deutschland. 1888 besteigt Wilhelm II. den Thron und wird bis kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges der letzte deutsche Kaiser sein. Mit dem 1875 errichteten Kaiserbahnhof in Brühl-Kierberg hat sich diese Epoche bereits unter seinem Vorgänger Wilhelm I. in der Geburtsstadt von Max Ernst verewigt.
 
Max Ernst und seine Zeitgenossen
 
Es ist aber auch die Zeit, in der die Künstler der Klassischen Moderne und viele Freunde von Max Ernst geboren werden: vor ihm 1886 der befreundete Künstler Hans Arp, 1887 die Dadaisten Marcel Duchamp und Kurt Schwitters, 1890 der Freund, Fotograf und Künstler Man Ray; nach ihm 1895 der ebenfalls eng befreundete französische Dichter Paul Eluard, 1896 André Breton, der mit 28 Jahren das Manifest des Surrealismus schreibt, 1898 der belgische Surrealist René Magritte, 1900 der Maler Yves Tanguy und der Dichter René Crevel, 1901 der Bildhauer Alberto Giacometti, 1902 der deutsche Surrealist Hans Bellmer und schließlich – 13 Jahre jünger – Salvador Dali. 1900, zur Jahrhundertwende, veröffentlicht Sigmund Freud sein epochales Werk Die Traumdeutung”, das nicht nur der heranwachsenden Surrealisten-Generation einen neuen Blick auf die Möglichkeiten der Phantasie, sondern auch auf die Vielschichtigkeit der Realität ermöglicht. Knapp zwanzig Jahre älter als diese Publikation und über ein Jahrzehnt vor Max Ernst werden zwei völlig unterschiedliche Heroen der Klassischen Moderne geboren: 1881 der Spanier Pablo Picasso und 1879 der Schweizer Paul Klee.
 
Das Horoskop von Max Ernst, das als Grundlage für Charakter- und Schicksalsdeutungen genutzt werden kann, erscheint 51 Jahre später im amerikanischen Exil in einer dem Künstler gewidmeten Sondernummer der New Yorker Zeitschrift View”. Neben Beiträgen von langjährigen, aber auch von neuen Freunden, Künstlern und Poeten enthält die Ausgabe den Text Einiges aus Max Ernsts Jugend, von ihm selbst erzählt”, in dem er sich als junger Mann, der ein Magier werden und den Mythos seiner Zeit finden wollte” charakterisiert. Hin und wieder befragte er den Adler, der das Ei seiner vorgeburtlichen Existenz gehütet hatte. Die Ratschläge des Vogels kann man in seinem Werk wiederfinden.”
 
Dr. Jürgen Pech
 

 

 

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