„Ich freue mich über jedes Haus, das erhalten wird”
Der bundesweite „Tag des offenen Denkmals 2008“ findet am Sonntag, den 14. September auch in Brühl unter dem Motto „Vergangenheit aufdecken“ statt. Marie-Luise Sobczak von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Brühl hat für diesen Tag zusammen mit Gerd-Uwe Knackstedt, Günter Krüger und Claudia Ufer ein buntes Programm für Jung und Alt zusammengestellt, das zu vielfältigen Aktivitäten in ganz Brühl einlädt. Der Brühler Bilderbogen hat die „oberste Denkmalpflegerin” Brühls besucht.
„Brühl ist kein Troja, aber auch hier ist der Boden reich an archäologischen Werten“, sagt Marie-Luise Sobczak enthusiastisch. „Man könnte sagen: Ganz Brühl ist ein Bodendenkmal, denn jede Besiedlung hat Spuren in der Erde hinterlassen. Für den Archäologen ist der Boden wie ein Archiv. Bei archäologischen Grabungen werden anhand von Funden wie Scherben, Mauerresten, Gräbern usw. und Befunden wie etwa Verfärbungen im Boden immer neuere geschichtliche Erkenntnisse zum Besiedlungsraum Brühl gefunden.“
Das kann auch die Brühler Bevölkerung hautnah erleben. Nicht nur am 14. September, sondern bis zum 21. September können sich alle Interessierten auf den archäologischen Pfad begeben, der in die Steinzeit, zu Funden und Fundstellen aus der Römerzeit, zur ersten Burg in Palmersdorf, zu Spuren der Franken in Vochem, zu den mittelalterlichen Töpfereien in Badorf, Pingsdorf und der Innenstadt bis zum Brühler Keramikmusuem führt. „Sie können auch den Lauf der Römischen Wasserleitung folgen oder Ausgrabungsstücke vor dem Max Ernst Gymnasium besichtigen“, berichtet Marie-Luise Sobczak.
Zu zwölf ganz unterschiedlichen Stellen in Brühl führt dieser spannende „archäologische Geschichtspfad“. Wer allen Stationen einen Besuch abstattet, vergrößert nicht nur sein Wissen, sondern hat auch die Gelegenheit an einem Gewinnspiel mit außergewöhnlichen Preisen teilzuneh- men. Denn an den einzelnen Orten sind Hinweistafeln angebracht, die Informationen enthalten, was gefunden wurde und welche Bedeutung die Funde haben. Diese Informationen sind hilfreich bei der Beantwortung einiger kniffliger Fragen des Gewinnspiels, die sich Marie-Luise Sobczak und ihr Team ausgedacht haben. In der ersten Frage geht es zum Beispiel um mittelalterliche Töpfereien in Eckdorf, Standort Grüner Weg. Sie lautet: Wie heißt der auffallende Gefäßtyp und wofür wurde er auch noch genutzt? Die genauen Standorte und die Fragen sind einem ausführlichen Programm zu entnehmen, das ab sofort im Rathaus und im brühl-info erhältlich ist.
Jung-Archäologen gesucht
Drei weiteren Aktionen finden anlässlich des Tags des offenen Denkmals in Brühl am 14. September statt. Im ehemaligen Franziskanerkloster direkt neben dem Rathaus, Uhlstraße 3, leitet Gerd-Uwe Knackstedt um 10.30 Uhr und 14 Uhr jeweils einen Schnupperkurs für Kinder von acht bis zwölf Jahren unter dem Motto: „Jung-Archäologen gesucht!“ „Im Franziskanerhof wird ein großer Sandkasten aufgebaut, der nach archäologischen Grundregeln genauestens untersucht wird“, verrät Marie-Luise Sobczak. „Erst werden die Kinder das Gelände vermessen und dann ganz vorsichtig nach Fundstücken suchen. Der Fund wird dann gezeichnet und anschließend zusammengesetzt.“
Im Brühler Keramikmuseum gibt es von 11 bis 13 Uhr sowie von 14 bis 18 Uhr interessante Führungen von Museumsdirektor Günter Krüger. Außerdem wird die Museumstöpferin Claudia Ufer in der Töpferwerkstatt im Dachgeschoss des Museums ihr Können an der Töpferscheibe zeigen. Zu sehen sind ferner Großfotos, die die Ausgrabungsergebnisse in der Innenstadt dokumentieren, der Nachbau einer Drehscheibe aus dem Mittelalter und das originalgetreue Model eines Brühler Brennofens aus dem 13. Jahrhundert.
Bis zum 12. Oktober wird im Kreuzgang des Brühler Rathauses die Ausstellung „Erinnern und Gedenken an die NS-Zeit im Rhein-Erft-Kreis“ gezeigt, eine Wanderausstellung der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln und des Rheinischen Bildarchivs über die Vielfältigkeit des Erinnerns und Gedenkens an die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg im Rhein-Erft-Kreis.
Marie-Luise Sobczak arbeitet seit 1977 bei der Stadt Brühl. Von Hause aus Architektin und Ingenieurin fing sie im Stadtplanungsamt an. Drei Jahre später trat das Denkmalschutzgesetz in Kraft, das von den Städten verlangte, eine Untere Denkmalbehörde einzurichten. Mit der Leitung wurde Marie-Luise Sobczak 1980 beauftragt. Seitdem laufen alle Belange des Brühler Denkmalschutzes über ihren Schreibtisch. „Gegenwärtig gibt es in Brühl exakt 248 Bau- und 97 Bodendenkmäler“, erzählt die 59-Jährige gebürtige Branden- burgerin, die seit ihrem ersten Lebensjahr im Rheinland wohnt.
Die bekanntesten Denkmäler Brühls sind sicherlich die Schlösser Augustusburg und Falkenlust, die sich Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen befinden, und der Palmersdorfer Hof. Die weiteren Denkmäler sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Auf der Stadtkarte von Brühl gibt es kaum weiße Flecken. Wenn auf Brühler Stadtgebiet gebaut wird und tiefere Aushubarbeiten nötig sind, besteht immer die Möglichkeit Überreste aus vergangenen Epochen zu finden. „Laien können solche Spuren oft nicht erkennen“, sagt Marie-Luise Sobczak. „Es sind feine Abdrücke im Boden, Verfärbungen und ähnliche Spuren, die den Fachleuten sofort auffallen.“ Werden solche Spuren gefunden, kommt es erst einmal zu einem Baustopp und einer gründlichen Analyse.
Die Fundamente der „Villa Rustica“ sind noch ganz ordentlich erhalten. Einen „Stolpergarten“ nennt die Denkmalpflegerin den alten römischen Bauernhof, weil man aufpassen muss, dass man nicht ins Stolpern kommt, wenn man den Ort besichtigt. Auch die Überreste der Römischen Wasserleitung gehören zu den archäologischen Highlights in Brühl.
In den Vororten geht viel verloren
Aber oft sind es auch einfache, unscheinbare Häuser, die das Stadtbild ungemein bereichern. „Ich freue mich über jedes Haus, das erhalten wird“, bekennt Marie-Luise Sobczak. „Sie tragen zur Atmosphäre einer Stadt bei. Oft sind sie auf den ersten Blick nicht schön. Erst wenn sie verschwunden sind, fällt einem oft auf, dass ihr Fehlen ein Verlust für das Stadtbild ist.“ Vor allem in den Vororten gehe viel verloren. Als Beispiel führt die Denkmalpflegerin den „Wingerts Hof“ auf der Badorfer Straße an, der abgerissen wurde. „Darüber bin ich traurig“, sagt sie. Der alten Feuerwache trauert sie ein bisschen nach, der Giesler Brauerei. „Aus Sicht der Denkmalpflege ist die Integration des Sudhauses in der Giesler-Galerie meiner Meinung nach nicht gelungen“, findet Marie-Luise Sobczak. „Der Turm wirkt wie eingesperrt und ist kaum zu sehen. Nur die Rückseite sieht man und die ist hässlich. Ich bin nicht gegen die Giesler-Galerie. Aber der Architekt ist mit dem Turm nicht sehr sensibel umgegangen.“ Die Möglichkeiten der Denkmalpflege sind eben manchmal auch nur begrenzt. Marie-Luise Sobczak ist Ansprechpartnerin in allen Fragen der Denkmalpflege. Oft kommen die Besitzer von denkmalgeschützten Häusern zu ihr, um ihren Rat einzuholen, wenn es um bauliche Änderungen oder ähnliches geht. „Die meisten Auflagen des Denkmalschutzes sind vertretbar“, glaubt sie. „Es wird allerdings schwerer wegen der neuen Energieauflagen. Der Umgang mit den Menschen macht mir Spaß. Manchmal muss man die Leute sogar bremsen. Manchmal muss man aber auch einschreiten, wenn Gebäude verwahrlosen.“
Bei ihrem Job überrascht es nicht, dass Marie-Luise Sobczaks in ihrer Freizeit mit großer Begeisterung Stadtführungen übernimmt. „Ich bin eine Stadtgeschichtenerzählerin“, sagt sie. Sie schlüpft gerne in diese Rolle, kostümiert sich und wird von ihren Helferlein in Puppenform mit den lustigen Namen Larifari, Mumpitz, Kokolores und Furzverzäll unterstützt. In den Monaten April bis Oktober sieht man sie und die anderen Stadtführerinnen oft in den Straßen Brühls. So kann sie auch ganz gut beiläufig den Zustand der Denkmäler überprüfen.
Tobias Gonscherowski