In den ersten Monaten des Jahres 1919 fanden in Köln zwei lautstarke Demonstrationen gegen kulturelle Veranstaltungen statt, die auch überregional durch die Presse gingen: am 6. Februar 1919 die Störung des Schauspielers Otto Sander bei seinem expressionistischen Vortragsabend im Rokokosaal des Hotels Disch und am 4. März 1919, dem Fastnachtsdienstag, der so genannte Kölner Theaterputsch. Er betraf das Drama „Der junge König” des Autors Raoul Konen, das vom tragischen Schicksal des letzten Hohenstaufenkönigs Konradin handelt und am 7. November 1918 im Kölner Schauspielhaus uraufgeführt worden war.
Bei der elften Aufführung kam es dann zu Zwischenrufen, Pfiffen und Schlägereien, an denen sich auch das Publikum beteiligte. Zuvor war die Presse sowohl über die beabsichtigte Kundgebung als auch über die Gründe unterrichtet worden. So vermeldete der „Berliner Börsen-Courier”: „Man macht der Theaterleitung und der Mehrheit der Theaterkommission den Vorwurf, daß sie der neuzeitlichen Entwicklung in der Literatur keine Rechnung trage und dafür minderwertige Schauspiele lokaler Größen begünstige.“ Ebenfalls am 5. März veröffentlichte die „Rheinische Volkswacht” einen ausführlichen Bericht von Dr. Rudolf Reuter, in dem er der „Gesellschaft der Künste” die Verantwortung gab: „Dadurch, daß die Hauptruhestörer festgenommen wurden, wird die Angelegenheit wohl ein gerichtliches Nachspiel haben. Besser als dies führt vielleicht ein kleines Momentbildchen auf die Spur der wirklichen Urheber und Organisatoren der Lärmszenen. Vor Beginn des ersten Aufzuges sah man im ersten Rang links eine Reihe jugendlicher Damen und Herren, die in der neugegründeten Ges. d. Künste eine Rolle spielen, darunter den expressionistischen Maler M. Ernst, den Illustrator des neuesten Buches von Th. Kuhlemann „Consolamini”, und seine Gemahlin Frau Dr. L. Straus-Ernst, die Schriftführerin der genannten Gesellschaft.
Herr Ernst signalisierte kurz vor Beginn der Vorstellung zu dem ihm gegenüberliegenden ersten Rang hinüber und legte dabei Mittel- und Zeigefinger beider Hände wie zum Pfeifen an den Mund. Merkwürdig war, daß gerade an diesen beiden Stellen die Hauptruhestörer saßen, und daß Herr Ernst und Genossen bald das Theater verließen. Vielleicht dürfte es der Ges. d. K. diesmal nicht so leicht fallen, ihre Beteiligung wegzuerklären, wie vor einigen Wochen.“
Entsprechende Vorwürfe formulierte auch Anton Stehle in der „Kölnischen Volkszeitung”, worauf Max Ernst mit einer am 7. März veröffentlichten Zuschrift reagierte: „Zu dem Artikel ,Ein Theaterskandal’ stelle ich fest, daß ich nicht als Beauftragter der ,Gesellschaft der Künste’ noch mit Erlaubnis ihres Vorstandes gehandelt habe, als ich mich an den Kundgebungen gegen den ,Jungen König’ beteiligte. Ich habe als Privatperson gehandelt und nehme die Verantwortung dafür auf mich. Ferner stelle ich fest, daß ich weder Mitglied des Vorstandes der Gesellschaft noch ihr Schriftführer bin. Auch führe ich nicht den Dr.-Titel.“
Zwar setzte die Theaterkommission weitere Aufführungen durch, aber Raoul Konen zog sein Stück zurück. Mitte Juni wurde ein junger Schauspielschüler aus Köln vor dem Schöffengericht und in der anschließenden Berufung vor der sechsten Strafkammer wegen groben Unfugs und unter Berücksichtigung mildernder Umstände zu 30 Mark Strafe verurteilt; fünf weitere Angeklagte, drei Männer und zwei Frauen, die aus Bonn stammten, erhielten Freispruch. Das Stück selbst wurde in geschlossenen Vorstellungen für die christlichen Gewerkschaften weiter aufgeführt und gelangte schließlich Anfang 1920 wieder auf den offiziellen Spielplan.