In den letzten Wochen gingen Beispiele von Zivilcourage durch die Medien. In München wurde ein mutiger Helfer von Jugendlichen totgetreten. In Brühl verfolgte Andre Bach (lesen Sie auch unser Interview) zwei Handtaschenräuber und überwältigte sie dank der Hilfe dreier Müllmänner. In München wie in Brühl schauten aber auch viele Leute gleichgültig weg. Wir wollten wissen, mit welcher Einstellung die Menschen in Brühl das Thema verfolgen.
Francis Rabatin mit Andrea Esser:
Ich denke, Zivilcourage ist eine Bürgerpflicht. Ich habe mich einmal in Köln in der Straßenbahn bei Streitereien von Kindern, die sich gegenseitig getreten und bedroht haben, eingemischt. Nach ein paar passenden Worten waren die ruhig. Aber die waren auch noch jung, da wirkte das. Wenn ich Angst hätte, verletzt zu werden, würde ich in der Nähe bleiben und die Polizei benachrichtigen. Man muss das Risiko abschätzen.
Karl-Heinz Plieschke:
Für mich ist sie eine Bürgerpflicht. Ich habe schon am eigenen Leib gespürt, was das bedeuten kann. Ich habe einmal im Urlaub auf Mallorca versucht, einen Streit zu schlichten und hatte auf einmal eine Schnittwunde an der Lippe. Das ging so schnell, ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Ich habe es erst gar nicht gemerkt. Später musste ich ins Krankenhaus. Der ADAC hat später die Hinfahrt zum Krankenhaus bezahlt, aber nicht die Rückfahrt. Ich bin vorsichtiger geworden. Einmischen kann gefährlich werden. Alleine würde ich wohl nicht mehr eingreifen. Ich würde schreien. Das schreckt auch schon ab.
Marco Fellbaum mit Sohn Marwin:
Sie sollte Bürgerpflicht sein, ist es aber nicht, weil sie den Jugendlichen heute nicht mehr beigebracht wird. Die Erziehung war doch vor dreißig Jahren noch eine andere. Heute denkt jeder nur noch an sich. Die Zivilcourage bleibt auf der Strecke. Ich habe schon häufiger erste Hilfe geleistet, auch wenn es übler wurde. Ich war Sanitäter bei der Bundeswehr und habe keine Scheu. Schon mehrmals habe ich mich in Brühl bei Prügeleien eingemischt und z.B. in einer Kneipe an Karneval die Schläger abgedrängt.
Wenn es richtig heftig wird, sollte man aber lieber aus der Ferne beobachten und helfen.
Wilhelm Hufschlag:
Die ist eine Bürgerpflicht, mit der sich jeder beschäftigen sollte. Ich habe mich einmal in eine Rangelei unter Jugendlichen eingemischt. Ich habe zu ihnen gesagt: „Geht auseinander, das ist besser als sich blaue Augen zu schlagen.“ Das haben die verstanden, auch wenn sie sich dann fast solidarisiert hätten. „Was willst Du alter Sack?“ haben sie gerufen. Ich finde, man sollte sich einmischen. Da bin ich resolut. Ich habe auf dem Bau gearbeitet. Ich sehe alles, mache viel.
Hermann-Joseph Münch:
Was ist Zivilcourage? Die Angst desjenigen, der gerne helfen möchte vor Übergriffen derer, die sich asozial benehmen. Was mich aber nicht abhält, trotzdem für Schwächere im Fall der Not einzutreten. Man muss abwägen, was man erreichen kann und im Extremfall andere Menschen um Mithilfe bitten.
Peter Unterberg mit seinen Töchtern Lea und Pia:
Sie ist eine Bürgerpflicht. Zum Glück war ich bislang noch nicht zum Handeln gezwungen. Ich würde aber im Falle eines Falles nicht weggucken und die Polizei alarmieren.
Elmar Wulff mit Tochter Marla:
Sie ist eine Bürgerpflicht. Man muss aufmerksam sein und den Mund aufmachen, wenn es darauf ankommt. Aber zu viel Zivilcourage kann wie wir bedauerlicherweise gesehen haben, tödlich enden. Ich glaube, ich hätte mich bei einer Situation wie in der S-Bahn in München auch eingemischt und versucht, den Kindern zu helfen. Ich habe ein starkes Gerechtigkeitsempfinden . Meine Frau nennt mich schon einen Samariter. Bisher kam ich noch nicht in Situationen, in denen ich eingreifen musste.
Hans-Georg Bündgen:
Zivilcourage ist für unsere Gesellschaft außerordentlich wichtig. Ich habe einmal in einer Straßenbahn einen pöbelnden Bold mit ein paar richtigen Worten zur Räson gebracht. Wenn mehrere Leute Radau machen, muss man Hilfe holen. Ich bin kein Held und im Zweifelsfall vorsichtiger. Dann muss man sich mit anderen zusammentun. Solidarisches Handeln ist dann gefragt. Der Mitmensch sollte einem nicht gleichgültig sein.
Eine Umfrage von Tobias Gonscherowski (Text) und Bernhard Münch (Fotos)