Die Entscheidung ist gefallen. Die gebürtige Kölnerin Katharina Schilling erhält das Max-Ernst-Stipendium der Stadt Brühl 2011. Die 26-jährige Künstlerin studiert seit 2005 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Ihre Arbeiten überzeugten die Jury, mit deren Vorsitzenden, der Bonner Professorin Dr. Arta Valstar-Verhoff, sich der Brühler Bilderbogen unterhalten hat.
BBB: Was hat die Jury dazu bewogen, Katharina Schilling mit dem Max-Ernst-Stipendium 2011 auszuzeichnen?
Dr. Arta Valstar-Verhoff: In unserer Begründung haben wir es folgendermaßen formuliert. „Ganz nah scheinen irritierend verschobene Flächen in den Bildern von Katharina Schilling vor dem Betrachter zu erstehen. Sie tragen in sich gekehrte, zerbrechlich erscheinende Gestalten in schlichter Haltung, liegend, mitunter in strengem Profil, auch Gegenstände von steifer Körperlichkeit. Wo immer der Charakter des Träumerischen, Poetischen, des Altmeisterlichen entsteht, wird er gebrochen durch Nuancen in der Oberfläche, durch Spuren des Geschundenen. Was bleibt, ist eine eigenwillige, spröde und doch betörende Schönheit.“ Die Preisträgerin kommt aus Leipzig und studiert dort bei Neo Rauch. Es ist ihr gelungen, sich von ihrem Lehrer freizuschwimmen. Es ist sicher kein Nachteil, eine Schülerin von Neo Rauch zu sein, es kann aber auch schwierig sein. Für mich sind ihre Bilder ungewöhnlich, faszinierend, es sind irritierende Bildkompositionen von Schlichtheit und vermeintlicher Leblosigkeit. Sie haben etwas von den alten Meistern der englischen Malerei oder der italienischen Frührenaissance. Sie suchen keinen Kontakt zum Betrachter. Die Figuren sind weggerückt und scheinen in einem gebrochenen Umfeld sehr weit weg zu sein. Und dann bricht sie mit den Altmeistern. Es finden sich Brüche zur aktuellen brüchigen Zeit wieder.
BBB: Wie bewerten Sie die Qualität der in diesem Jahr insgesamt eingereichten Arbeiten und dominiert weiterhin die Malerei?
Dr. Valstar-Verhoff: Wir haben das Phänomen festgestellt, dass die Sahneschicht etwas schmaler geworden ist. Die Auswahl bei der ganz oben angesiedelten Kunst ist dünner geworden. Trotzdem haben wir uns selbstverständlich alle Arbeiten in Ruhe angeschaut. Das ist auch eine Frage des Respekts der Kunst gegenüber. In diesem Jahr hatten wir über 100 Einreichungen. Letztes Jahr waren es noch deutlich weniger. Das liegt auch sicher daran, dass die Stadt Brühl viel getan hat, eine junge Praktikantin eingestellt hat, die auf den bekannten Internetportalen für junge Künstler Werbung für das Stipendium gemacht hat. Die Informationspolitik wurde sehr verbessert, um auch andere Schichten zu erreichen. Die Malerei ist weiterhin am stärksten vertreten. Vielleicht führt der Name Max- Ernst-Stipendium ein wenig in die Irre. Viele rechnen sich bessere Chancen mit Bildern aus. Die Installationen spielen eine untergeordnete Rolle, ebenso die neuen Medien mit Videoarbeiten oder Fotografien. Dennoch sind wir auch in dieser Hinsicht gut bestückt. Max Ernst war eine sehr ungewöhnliche Figur. Ein Self-Made-Künstler, der selbst einen ungewöhnlichen Weg gegangen ist und der junge Künstler auch dazu ermuntert hätte. Es gibt auch viele Talente, die nicht den akademischen Weg gehen. Aber das Gros der Künstler kommt immer noch von den Akademien, vor allem von den Kunsthochschulen in Münster, Düsseldorf, Köln, Bonn oder Alfter.
BBB: Lassen sich neue Trends in der Kunst erkennen?
Dr. Valstar-Verhoff: Tendenzen sind nicht erkennbar. Die Pluralität ist sehr breit. Das ist ja auch in anderen Bereichen wie der Mode so. Es ist persönlicher, individueller, etwas Eigenes geworden. Das ist auch in der Kunst so. Es ist alles schon einmal gemacht worden. Die Kunst ist ein Selbstbedienungsladen, in dem man sich ohne Probleme bedienen kann und spielerisch ein neues Prinzip entwickeln kann.
BBB: Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach Kunstpreise wie das Max-Ernst-Stipendium?
Dr. Valstar-Verhoff: Die Künstler sind ja noch jünger als 35 Jahre und haben ihren Platz noch nicht gefunden. Für sie sind Kunstpreise sozial sehr wichtig. Für die Künstler sind sie ein wichtiges Instrument, um sich zu finanzieren und sorglos zu arbeiten. Und es ist wichtig, dass sich beim Max-Ernst-Stipendium alle frei bewerben können. Es gibt kein Vorschlaggremium, das Vorarbeiten erledigt und die gleichen Künstler immer wieder vorschlägt. Es gereicht Brühl zu Ehre, diesen Weg nicht zu gehen und eine offene Bewerbung zu favorisieren. Das ist dann zwar für die Jury extrem mühsam aber auch spannend. Wir freuen uns auch, dass die Max Ernst Gesellschaft die Hälfte des Preisgeldes beisteuert. Es ist wichtig, dass der Preis nicht in Gefahr gerät.
BBB: Wie sehen Sie die Zukunft des Max-Ernst-Stipendiums? Wird es Neuerungen geben?
Dr. Valstar-Verhoff: Im nächsten Jahr werden wir die Jury auf zehn oder elf Mitglieder aufstocken. Sie ist nicht theorielastig. Wir haben viel mit Künstlern zu tun und sind keine verstaubten Theoretiker. Wir freuen uns sehr darauf, dass die Kölner Künstler Lutz Fritsch und Jürgen Klauke zukünftig der Jury angehören werden und Lutz Fritsch bereits in diesem Jahr an der Jurierung teilnahm. Ein anderes Thema ist der Transport. Für einige Künstler stellt der Transport ihrer Werke nach Brühl ein Problem dar, weil die Kosten sehr hoch sind. Vielleicht müssen wir diese Form modifizieren und andere Wege der Bewerbung anbieten, bevor die Künstler ihre Originale auf den teilweise weiten und teuren Weg nach Brühl schicken.