In Baden-Württemberg soll die Bevölkerung darüber abstimmen, wie es mit dem Großprojekt Stuttgart21 weitergeht. Ist das für die Zukunft eine Chance, die Bürger bei wichtigen Entscheidungen mit ins Boot zu nehmen? Oder sollen das die Volksvertreter in den Parlamenten des Bundes, der Länder, der Bezirke und der Stadträte selbst entscheiden?
Klaus Tressat:
Ja, sicher. Dann würde so etwas wie der Handel mit RECS-Zertifikaten, den uns der Bürgermeister Kreuzberg ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsrat der Stadtwerke eingebrockt hat, nicht passieren. Meine Theorie für mehr Bürgerbeteiligung wäre: Man müsste größere Ortschaften in Verwaltungsbezirke unterteilen, die rund 5.000 Einwohner umfassen. Brühl hätte dann neun Bezirke. Diese Verwaltungsbezirke verwalten sich selbst. Die Entscheidungen könnten per Abstimmung im Internet erfolgen. Das lässt sich leicht handhaben. So können die Bürger alle Entscheidungen selbst treffen. Man könnte auch die nächsthöheren Ebenen bis hin nach Berlin ähnlich gestalten. Im Moment findet doch ein Kampf zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen statt. Nachdem immer mehr Entscheidungen von der EU getroffen werden, frage ich mich, ob der Bund oder die Länder überleben.
Monika Wilk:
Auf jeden Fall. Ich wäre für einen Volksentscheid zur Atomkraft. Das würde wirklich mal Zeit. In Brühl sollten die Bürger darüber abstimmen, ob ein Neubau des Rathauses sein muss. Das ist ja grauenhaft, was der kosten soll. Darüber würde ich gerne abstimmen. Ich wäre dafür, das Geld ins alte Rathaus zu investieren. Außerdem rege ich mich immer wieder über die Pflasterung der Fußgängerzone auf, die furchtbar ist.
Udo Lassmann mit Sohn Lennart:
Grundsätzlich ja. Bundesweit angefangen bei der Strompolitik bis hin zu kommunalen Fragen, wie denen nach geplanten Umgehungsstraßen oder Verkehrsberuhigungszonen. Bei solchen Fragen würde ich mich bei Abstimmungen beteiligen. Im Moment ist mir aber vor allem die Mineralölpolitik ein Dorn im Auge. Da muss dringend etwas getan werden, die Bundesregierung müsste handeln. Man muss den Lobbyisten Druck machen. Ich hoffe, dass das Kartellamt etwas erreicht. Die Abzockerei kann man ja nicht mehr toppen. Auch des Themas Mautgebühren sollte man sich einmal annehmen. Ich wäre dafür, dass diejenigen, die viel fahren auch viel bezahlen müssen. Das sind brennende Themen für mich.
Gabriele Abels:
Ja. Ich finde, der Bürger sollte mehr zu sagen haben. Themen, die mich interessieren, sind z. B. die Atomenergie und das Nichtrauchergesetz. Das Rauchen sollte nicht verboten werden, ich fühle mich da persönlich diskriminiert. Ich bin auch dagegen, dass Straßensanierungen auf die Bürger abgewälzt werden.
Roswitha Wiglinghoff:
Ja, auf jeden Fall. Vor allem in der Kommunalpolitik bei bautechnischen Projekten wie Parkplätzen und Tiefgaragen. Mich interessiert auch eine Frage wie die Phantasialand-Erweiterung und das damit verbundene Wegfallen von Grünflächen. Ich würde mich auch an einer Abstimmung über die Energiepolitik beteiligen. Ich beteilige mich da, wo ich mitwirken kann. Es ist sinnvoll, den Bürger einzubeziehen. Dann wäre auch die Politikverdrossenheit nicht so hoch.
Helmut Krüger:
Bei bestimmten kommunalpolitischen Projekten sollten die Bürger in Brühl mitentscheiden dürfen. Die Phantasialand-Erweiterung sollte nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden auf Grundlagen, die der Bürger nicht kennt. Bei uns gibt es in Erftstadt Diskussionen über das Schwimmbad. Die Jahreskarte für 107 Euro soll abgeschafft werden. Stattdessen sollen sich die Vielnutzer wie die Frühschwimmer eine Tageskarte für 3 Euro kaufen. Zur Begründung werden dann Sachen kolportiert, die nicht stimmen. So etwas geht nicht.
Frank Milde:
Natürlich. Das gehört zur Demokratie. Demokratie bedeutet ja Herrschaft des Volkes. Man merkt, dass die Parteien am Wilen des Volkes vorbeiregieren. Im Bund und in Brühl. Es gibt genug Beispiele. Der Afghanistan-Einsatz wird von der Mehrheit des Volkes abgelehnt. Der Ausstieg aus der Atomenergie wird befürwortet, ebenso der Mindestlohn. Nach allen Umfragen ist die Mehrheit anderer Meinung als die Regierung. Aber das Quorum ist hoch, Bürgerentscheide sind nicht leicht herbeizuführen. Die Hürden sind sehr hoch, in Nordrhein-Westfalen ist es fast unmöglich. Dabei gäbe es auch in Brühl eine Reihe interessanter Themen wie die Phantasialand-Erweiterung oder die Grünstrom-Kampagne.
Eine Umfrage von Tobias Gonscherowski (Text) und Bernhard Münch (Fotos)