Jahrgang 2011
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Am 6. Juni fasste der Rat der Stadt Brühl mit großer Mehrheit den folgenschweren Beschluss, den Weg freizumachen für einen Abriss des Rathausanbaus im Steinweg und dort einen rund 10 Millionen Euro teuren neuen Anbau zu errichten. Dieses Vorhaben stieß in großen Teilen der Brühler Bevölkerung auf Unverständnis.


Nur kurze Zeit nach dem Ratsbeschluss gründete sich eine Bürgerinitiative, die Unterschriften für das „Bürgerbegehren Rathausanbau Steinweg B bleibt“ sammelte. Mit Erfolg, die erforderlichen Unterschriften wurden inzwischen dem Bürgermeister übergeben. Jetzt muss der Rat darüber befinden, ob er seinen Beschluss aufrecht erhält und damit eine Abstimmung der Brühler Bevölkerung stattfindet oder nicht. Wir haben uns mit Harry Hupp unterhalten, der einer der drei Vertretungsberechtigten und zugleich Moderator des Bürgerbegehrens ist.

BBB: Herr Hupp, aus welcher Motivation heraus engagieren Sie sich für das „Bürgerbegehren Rathausanbau Steinweg B bleibt“?
Harry Hupp:
Ich habe im letzten Jahr das Buch „Meinungsmache“ von Albrecht Müller gelesen, in dem sehr anschaulich beschrieben wird, wie die Meinung von Interessengruppen manipuliert wird. Ich bin schon immer sehr kritisch eingestellt gewesen und habe mich früher geäußert, aber nicht gehandelt. Diesmal hatte ich das Bedürfnis, etwas zu tun. Ich bin dann vor einem Jahr bei attac eingestiegen. Ich habe da zu schätzen gelernt, wie groß das Bemühen um die sachliche Aufklärung verschiedener politischer und wirtschaftlicher Themen ist. Ich habe dann Anfang Juni über eine Information von attac von dem Ratsbeschluss vom 6. Juni erfahren. Als Argumente für den Abriss werden die nicht vorhandene Energieeffizienz und Barrierefreiheit genannt. Angeblich ist es kostengünstiger, den Anbau abzureißen und neuzubauen als alle anderen Konzepte. Eine Woche später haben sich etwa 35 Bürger zu einer Veranstaltung getroffen, um über diesen Beschluss zu diskutieren. Ich wollte mir dabei ein Bild über den Sachverhalt machen. Ich war danach entsetzt über den Umstand, wie unsinnig mit Steuergeldern umgegangen wird. Es soll eine Ausgabe getätigt werden, die in dieser Dimension und Form nicht sein muss. Es gibt keine einleuchtende Begründung für einen Abriss. Wir wollen unnötige Kosten verhindern auch im Wissen der gesamtwirtschaftlichen Situation. Wieder eine Woche später waren es bereits 50 Teilnehmer bei der zweiten Veranstaltung. Dabei wurde beschlossen, ein Bürgerbegehren in die Wege zu leiten. Als die Wahl zu den Vertretungsberechtigten anstand, wurde ich vorgeschlagen und zusammen mit Heinz Schmitz und Christine Lennartz gewählt. Wir haben uns der Sache angenommen und gehen sie ohne jede Verbindung zur Politik an. Wir haben keinen Kontakt zu Parteien aufgenommen und die auch nicht zu uns.

BBB: Wer unterstützt die Bürgerinitiative? Und wie waren die weiteren Schritte des Bürgerbegehrens?
Hupp:
Wir werden unterstützt von Bürgern, ohne das parteipolitische Interessen eingebracht werden. Wir haben bis tief in die Nacht getagt und beraten, wie wir gegen den Ratsbeschluss mit demokratisch legitimen Mitteln vorgehen können. Dabei wurden wir auch beraten von dem Verein „Mehr Demokratie“, dessen Anliegen es ist, Bürgerbegehren zu unterstützen. Wir wurden ferner beraten von einer Bürgerinitiative in Siegburg, die dort erfolgreich den Abriss ihres Rathauses verhindert hat. Wir mussten nun innerhalb von drei Monaten genügend Unterschriften sammeln, genau genommen rund 2.400. Wir haben sechs Wochen lang mit Standaktionen an verschiedenen Standorten in Brühl insgesamt über 4.500 Unterschriften gesammelt. Wir mussten die gesammelten Unterschriften bis spätestens zum 6. September abgeben. Das Prozedere ist genau geregelt. Es ist alles ordnungsgemäß verlaufen.

BBB: Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihren Aktionen gemacht?
Hupp:
Unsere Erfahrungen waren die, dass es dem Bürger gut tut, wenn er das Gefühl hat, aktiv an einer politischen Entscheidung, die ihn betrifft, teilzunehmen. In diesem Fall ist die Politik nicht weit weg, sondern greifbar. Es stärkt das Selbstbewusstsein der Bürger und es ist gut, etwas aktiv gegen die Politikverdrossenheit zu unternehmen. Mit der Unterschrift haben sie etwas gegen ihren Frust getan. Das ist eine grundlegende Erfahrung. Man bekommt viel Unterstützung von einzelnen Leuten, die ohne eigenen Vorteil Dinge bewegt haben. Wir wollen etwas zum Vorteil der Bürger bewegen. Das Bürgerbegehren hat sich zu einem Selbstläufer entwickelt. Vereinzelt wurden wir auch angefeindet, als „Nestbeschmutzer“ beschimpft oder als „politisch-radikal“ bezeichnet, als Leute denen es an Kompetenz und Informationen mangelt. Aber das war die Ausnahme.

BBB: Wie geht es jetzt weiter?
Hupp:
Am 17. Oktober berät der Rat erneut über den Beschluss vom 6. Juni. Wenn der Beschluss bestätigt wird, muss innerhalb von drei Monaten eine Volksabstimmung stattfinden in Form einer Wahl, bei der nur mit „Ja“ oder „Nein“ gestimmt werden kann. Dann findet die Abstimmung statt. Damit das Bürgerbegehren erfolgreich ist, müssen es 20 Prozent der Stimmberechtigten in der Wahl unterstützen. Gleichzeitig muss die Mehrheit dafür gestimmt haben. Es ist dann wichtig, wählen zu gehen, Einfluss zu nehmen und das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Wir sind auf alle Fälle darauf vorbereitet, dass es zu der Abstimmung kommt. Wir haben einige Arbeitsgruppen gebildet und viele Ideen für Flyer, Plakate und Aktionen.

BBB: Was würden Sie machen, wenn der Rat seinen Beschluss zurücknehmen würde?
Hupp:
Dann mache ich eine Flasche Sekt auf und eine Party. Aber auch die nächsten Themen sind schon auf dem Tisch. Ich wurde schon wegen der geplanten Verlegung der Haltestelle Brühl-Süd angesprochen. Und ich möchte gegen den „Mogelstrom“ aktiv werden. Ich bin genervt davon, dass Menschen mit Falschaussagen manipuliert werden. Ich bin gegen die Bürgerverdummung.



Harry Hupp ist 49 Jahre alt, geschieden und Vater von zwei Kindern. Er arbeitet seit 1979 als Verkäufer in einem bekannten Warenhaus und engagiert sich in der Gewerkschaft verdi und bei attac. Er wohnt in Brühl. Weitere Informationen zum Bürgerbegehren gibt es im Internet unter: www.schuldenstopp-bruehl.de










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