Jahrgang 2012
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„Wir drücken bei den Prüfungen auch mal eine Auge zu“
Am 26. August ist es wieder so weit. Dann heißt es bereits zum 14. Mal „Rund um Brühl“. An diesem Sonntag findet die Oldie-Ausfahrt für Motorräder bis Baujahr 1980 statt. Gestartet wird diese Traditionsveranstaltung wie immer im Rahmen der Kirmes in Kierberg auf dem Festplatz am Kaiserbahnhof. Die Veranstaltung beginnt bereits um 8.30 Uhr, der erste Start erfolgt um 10 Uhr, der zweite um 14 Uhr. Die Siegerehrung wird gegen 18 Uhr stattfinden. Organisiert wird dieses Ereignis von der Oldie Interessengemeinschaft Brühl-Kierberg. Wir haben uns mit Karl Peter Bollenbeck und Gerhard Schmitt-Gleser von der IG getroffen.

Angefangen hat alles im Jahr 1999, wie sich Karl Peter Bollenbeck erinnert. Der heute 75 Jahre alte Motorradfan ist in Kierberg bekannt wie ein bunter Hund. Der gebürtige Brühler singt im Männerchor, er ist aktiv im Kegelclub und in der Dorfgemeinschaft. Er ist seit 54 Jahren verheiratet, hat drei Kinder, sechs Enkel und neun Urenkel. Und er sah es damals nicht gerne, dass die traditionelle Kierberger Kirmes in Gefahr war. Es war nicht mehr so viel los, neue Ideen mussten her.
Da kam ihm zusammen mit anderen Motorradfreunden der Gedanke, eine Ausfahrt für alte Motorräder zu organisieren, die zum Programm der von zahlreichen Kierberger Vereinen veranstalteten Kirmes gehören sollte. Das hatte viele Vorteile, denn durch die Kirmes waren viele organisatorische Notwendigkeiten wie Essensstände, Toiletten, Platzmiete und viele mehr bereits abgedeckt. Synergieeffekte würde man heute sagen. „Ohne die Kirmes könnten wir als kleine IG mit einer Handvoll Mitstreitern so ein Event gar nicht auf die Beine stellen“, sagt Karl Peter Bollenbeck.
Die sieben, acht Motorradfreunde kannten sich vorher schon. Sie treffen sich bis heute einmal im Monat, jeweils am zweiten Montag, in der Kierberger Gaststätte „Zur Eule“ zu „Benzingesprächen“. Es wird viel gefachsimpelt, sich gegenseitig geholfen, es werden Erfahrungen ausgetauscht und in den letzten Tagen naturgemäß vor allem die organisatorischen Details der nächsten Ausfahrt diskutiert. Bei der werden die Veranstalter selbst nicht mitfahren, was ein bisschen schade ist, haben sie doch selbst sehr attraktive Maschinen in der Garage stehen.



Prüfungen und Durchfahrtkontrollen
Gerhard Schmitt-Gleser nennt beispielsweise eine BMW 600er aus dem Jahr 1968 sein eigen. Ein Gespann übrigens, schließlich teilt auch seine Frau Jutta die Motorradleidenschaft. Karl Peter Bollenbeck besitzt eine IFA BK 350 mit 19 PS aus dem Jahr 1956. Darauf fährt er auch heute noch. Doch zurück zur Ausfahrt am 26. August. Gegen eine Anmeldegebühr von 25 Euro können alle Motorradfans mit Maschinen bis Baujahr 1980 teilnehmen, bis die Obergrenze von 100 Anmeldungen erreicht ist. Im vergangenen Jahr zählten die Veranstalter rund 80 Teilnehmer. Es gibt eine Ausfahrt vormittags und eine nachmittags.
Unterwegs müssen die Motorradfahrer Prüfungen absolvieren und Durchfahrtskontrollen passieren. Bei den Prüfungen haben sich die Macher der Oldie IG einige knifflige Aufgaben ausgedacht, sowohl theoretischer als auch praktischer Natur. So mussten die Teilnehmer in der Vergangenheit beispielsweise das Baujahr von auf Bildern abgebildeten Maschinen benennen. Bei Geschicklichkeitsübungen mussten die richtigen Schrauben und Muttern zusammengeführt werden. Und auch das fahrerische Können wurde getestet, wenn etwa das Rad einer Maschine zentimetergenau mittig auf eine Art Zielscheibe geparkt werden sollte. Diese Sonderprüfungen finden traditionell zwischen 10 und 11 Uhr auf dem Brühler Markt statt und locken immer viele Zuschauer. „Wir nehmen die Prüfungen aber nicht so tierisch ernst und drücken auch einmal ein Auge zu“, sagt Gerhard Schmitt-Gleser. „Bei uns steht der Spaß im Vordergrund, wir sind nicht verbissen.“
Das gilt auch für die Fahrt selber. Im Gegensatz zu manch anderen Ausfahrten kommt es nicht auf das Tempo an. Ein Zeitfahren gibt es nicht. Allerdings müssen die Durchfahrtpunkte gefunden werden. Die Strecke ist durchgehend markiert, kleine weiße Hinweistafeln zeigen den Teilnehmern die Route an. Rund 150 Schilder stellen die Organisatoren auf, alles im Übrigen höchstoffiziell genehmigt von den zuständigen Kreisbehörden. Im Abstand von einer Minute gehen die Maschinen dann auf die Reise, die vormittags über 40 Kilometer und nachmittags rund 70 Kilometer lang sein wird. Sollte einmal eine Maschine liegen bleiben, ist auch vorgesorgt. Ein Rückholdienst steht zur Verfügung. Abends ist dann die Siegerehrung, jede Menge Pokale und Plaketten werden an die besten Fahrer in den verschiedenen Klassen überreicht.

„Gib dem Sensenmann keine Chance”
Nach 13 erfolgreichen Ausfahrten ist die Oldie IG Kierberg bereits ein erfahrener Veranstalter. Der nicht-eingetragene Verein ist auch dem Dachverband VFV (Veteranen Fahrzeug Verband) angeschlossen. Inoffizieller Vorsitzender der Oldie IG ist Karl Peter Bollenbeck, der seit Anfang an dabei ist. Der ehemalige Kabelwerker kam durch einen Onkel Mitte der fünfziger Jahre zum Motorradfahren. Auf einer NSU Lux startete er, später fuhr er einen Roller Dürkopp Diana. Derzeit fährt er auf seiner IFA BK 350 gemütlich durch die Gegend. „Ich mag es, wenn mir der Wind um die Nase weht“, sagt er. Nur einmal ist er mit seiner Maschine gestürzt. „Das war bei einer Ausfahrt beim Abbiegen“, lacht Karl Peter Bollenbeck. „Ich bin einem Engländer hinterhergefahren und auf einem Ölfleck ausgerutscht.“ Dazu muss man wissen, dass alte englische Maschinen den Ruf haben, undicht zu sein.
Gerhard Schmitt-Gleser hat dagegen auch schon schwere Unfälle hinter sich. Der 64-jährige Diplom-Ingenieur verunglückte einmal sogar zusammen mit seiner Frau und lag sieben Wochen im Krankenhaus. Und das, obwohl er sich immer bemüht hat, den väterlichen Rat „Denk immer daran: Der Sensenmann fährt immer mit, gib ihm keine Chance“ zu befolgen. „Die Teilnahme am Straßenverkehr ist gefährlich“, sagt er lakonisch. Gerhard Schmitt-Gleser liebt am Motorradfahren, „dass es anspruchsvoller und komplizierter zu fahren ist. Man ist mehr an der Technik dran.“ Neben seiner Oldie-Maschine fährt er auch eine moderne, die er zu seinem 60. Geburtstag von seiner Frau geschenkt bekam. Doch bei dieser Maschine legt er aber nicht mehr selbst Hand an, dazu ist die Technik der heutigen Motorräder zu kompliziert. „Die Beschleunigung ist schon enorm“, sagt der ehemalige Gewerbeaufsichtsbeamte, der mit 60 Jahren in den Vorruhestand ging. „Am wichtigsten sind bei den heutigen Maschinen deshalb auch gute Bremsen.“ Eine Fahrt in den Schwarzwald war zuletzt die weiteste Tour, die er unternommen hat.
Selbst fahren die Oldie IGler gerne bei anderen Ausfahrten mit. Der Spaß ist immer groß, das gesellige Zusammensein und Fachsimpeln mit Gleichgesinnten macht immer große Freude. Aber auch die Organisation der eigenen Veranstaltung ist immer wieder eine Herausforderung, der sich Karl Peter Bollenbeck, Gerhard Schmitt-Gleser und die vielen weiteren Mitstreiter und Helfer gerne stellen.
Tobias Gonscherowski

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