Jahrgang 2014
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„Wir haben uns immer wieder neu erfunden“
Kinder, wie die Zeit vergeht. Vor ein paar Tagen feierte der Männergesangverein Eufonia im kleinen Kreis sein 30-jähriges Bestehen. Derzeit proben die Sänger um Chorleiterin Annette Kröhne-Fritz für das neue Konzert „Und es war Sommer ...“, das am Samstag, 6. Dezember, um 20 Uhr in der Galerie am Schloss Premiere hat. Weitere Aufführungen finden am 7. Dezember (18 Uhr) sowie an den Wochenenden 31. Januar/1. Februar, 21./22. Februar und 14./15. März statt. Der Vorverkauf hat bereits im Bioladen in der Carl-Schurz-Straße begonnen.

Im neuen, wieder von Micka Berboth und Kalle Pchalek moderierten Programm können sich die Konzertbesucher zusammen mit den Eufonisten an Ferienfreizeiten und Dr. Sommer erinnern. „Und es war Sommer ... – da kommt so manches wieder hoch: Allen voran natürlich die zahlreichen geistigen Getränke an lauen Sommerabenden am Lagerfeuer. Klamme Schlafsäcke im verregneten Ferienlager, Flaschendrehen, sich verhakende Zahnspangen beim Küssen und jede Menge musikalische Abenteuer. Auf Westernhagen folgte Gershwin und getanzt wurde zu Grease und an der Copacabana. Mann, was waren wir jung und unerfahren ...“, heißt es in der launigen Konzertankündigung.

Allerdings – so ganz stimmt das ja nicht. Denn unter den fast dreißig Sängern befinden sich nicht nur die teilweise bereits etwas graumelierten Herren von Ende vierzig aufwärts, sondern inzwischen auch die nächste Generation, deren letztes Zeltlager noch nicht so lange zurückliegen dürfte. Alexander Trimborn und Sebastian Reichenberger etwa eifern ihren Vätern Michael und Bernhard nach, die vor dreißig Jahren zu den Gründungsmitgliedern des MGV Eufonia gehörten.
In all den Jahren war die Fluktuation im Chor nicht allzu groß, der harte Kern blieb zusammen, rund ein Viertel der Chormitglieder gehören Eufonia seit der Gründung vor drei Jahrzehnten an. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist besonders ausgeprägt, selbst Sänger, die aus Brühl weggezogen sind, reisen zu den Konzerten und einigen Proben beispielsweise aus Hamburg (Sebastian Aderhold) oder dem Allgäu (Reinhard Willemsen) an. Wen das Eufonia-Virus einmal gepackt hat, den lässt es so schnell nicht los. Das gilt für die Chormitglieder selbst genauso wie das treue Publikum, das den neuen Programmen entgegen fiebert und in der Regel für ausverkaufte Konzerte sorgt. Anders als viele andere kulturschaffende Vereine in Brühl hat Eufonia keine Probleme damit, die Galerie am Schloss, den Dorothea Tanning Saal oder den Rathaus-Innenhof mehrfach bis auf den letzten Platz zu füllen. „Es sei denn, wir müssen wie 2012 mit dem Champions-League-Finale „Dahoam“ zwischen Bayern München und dem FC Chelsea, dem langen Himmelfahrtswochenende und den Brühler Schlosskonzerten konkurrieren – da waren dann doch der vorletzte und der letzte Platz noch frei“, lacht Klaus Kröhne.
Der 36-Jährige ist praktisch mit Eufonia aufgewachsen und groß geworden. Als Kleinkind nahm ihn seine Mutter, die langjährige und 2011 leider verstorbene Chorleiterin Christina „Kiki“ Kröhne, mit zu den Proben. Später half er bei den Konzerten in der Garderobe oder an der Theke aus, und als er alt genug war, durfte er im Chor dann auch endlich mitsingen. Die Familie Kröhne hat Eufonia immer schon geprägt. Vater Hellmut ist bis heute hinter den Kulissen als gute Seele des Chores für die organisatorischen Dinge mitverantwortlich, Mutter Kiki leitete den Chor, die Kinder Klaus und Annette Kröhne-Fritz stehen heute auf der Bühne. Klaus als 1. Bass, Annette setzt die Familientradition als Dirigentin fort.

„Klassisch sind wir sowieso”
Entstanden ist der Chor im Jahr 1984 eher zufällig. Zu einer Chorprobe der Musiklehrerin Christina Kröhne im Brühler Max-Ernst-Gymnasium waren nur die Männerstimmen erschienen, aber die sangen so schön, dass Kiki spontan beschloss, nur noch mit den Jungs weiter zu singen. „Seitdem kommen wir mit nur einer Frau aus, treten in Frack und Zylinder auf, glauben, wir sind „die zarteste Versuchung, seit es Männerchöre gibt“ und wiederholen jedes Programm gut zehn Mal in Brühl und in der Umgebung“, erzählt Joachim „Jesi“ Jezewski, der den Chor seit 30 Jahren am Klavier begleitet.
„Klassisch sind wir sowieso“ lautete ein frühes Motto des Chores, das bis heute gilt. Denn Eufonias Konzerte sind in der Regel zweigeteilt. Im ersten Teil wechseln die Outfits und passen zum jeweiligen Konzertthema, nach der Pause präsentieren sich die Sänger in Frack und Zylinder. Die klassische Chorliteratur befindet sich ebenso im Repertoire wie eine Fülle eigener Arrangements und Texte, in denen gekonnt und augenzwinkernd mit bekannten Stücken oder Melodien gespielt wird.
Seit drei Jahren dirigiert Annette Kröhne-Fritz den Brühler Kultchor. Sie trat in die großen Fußstapfen ihrer Mutter und setzte leicht andere Akzente, etwa in der Stimmpflege. „Sie ist noch ein bisschen genauer“, sagt ihr Bruder Klaus. Auch das Einsingen, das Stimmtraining und das Aufwärmtraining gestaltet sie anders. Bei den aktuellen Proben war auch ihre erst drei Monate alte Tochter Marie im Körbchen mit dabei. Einer Fortsetzung der Familientradition in ein paar Jahrzehnten steht also nichts im Wege.

Vielfach ausgezeichnet und live im Fernsehen
Die musikalische Qualität Eufonias war schon immer herausragend und spiegelt sich auch in verschiedenen Preisen und Ehrungen wider, die der Chor erfahren hat. Der Kulturpreis des Rhein-Erftkreises wurde Eufonia schon vor zehn Jahren verliehen, Ausflüge ins Fernsehen wurden zu Triumphen. Im chinesischen Fernsehen sang der Chor vor „einem Milliardenpublikum“. „Aber auch in Deutschland wurden wir im Fernsehen übertragen: „Klingendes NRW“ im WDR (2005) und unvergessen „Carmen Nebels Grand Prix der Chöre“ (2007) verleiteten uns selbstbewusst zu dem Titel König der Chöre“, lacht Andre Bach.
Auch bei karitativen Veranstaltungen ist Eufonia öfter aufgetreten, so z.B. zur Rettung des Leuchtturms „Roter Sand“ ebenso, wie zugunsten des Wesselinger Krankenhauses oder regelmäßig für den Verein für Körperbehinderte in Brühl. Bei einer Benefizveranstaltung für die AIDS-Stiftung in Wuppertal wurde der Chor von Lilo Wanders irrtümlich als der „schwule Männerchor aus Köln“ angekündigt. Über diesen Fauxpas können die Eufonisten noch heute herzhaft lachen, insbesondere da sie „ja gar nicht nicht aus Köln stammen“. Überhaupt spielt der teilweise etwas eigenwillige Humor der Sänger eine zentrale Rolle für den Zusammenhalt über so viele Jahre hinweg. „Wir haben da eine sehr spezielle Art und können auch über uns selbst lachen“, weiß Jesi Jezewski. Wer mit der ausgeprägten Selbstironie nicht zurecht kommt und bei Eufonia in erster Linie ernsthaft und ausschließlich Proben und Singen will, hat ein Problem.
„Unser Erfolgsrezept über die Jahre ist, dass wir uns immer treu geblieben sind, uns aber auch immer wieder neu erfunden haben“, glaubt Klaus Kröhne. Ganz wichtig ist auch, dass die Ehepartner das sehr zeitintensive Hobby der Eufonisten unterstützen und auch dann nicht murren, wenn der Männerchor wieder einmal auf große Chorfahrt geht. In China waren sie schon 1995, in Kanada 2005, in Namibia sogar zweimal (2002 und 2013). Wo sie sich denn gerne in zehn Jahren sehen würden, wollen wir abschließend wissen. „Hauptsache zusammen, vollzählig und gesund“, sagt Jesi Jezewski. „Außerdem würden wir gerne noch einmal an einem Wettbewerb teilnehmen oder durch Deutschland tingeln.“ Doch das ist Zukunftsmusik. Vorerst gilt alle Konzentration dem neuen Programm, dessen Premiere am Nikolaustag in Brühl steigt.

Tobias Gonscherowski

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