Zum 50. Mal verleiht die Stadt Brühl in diesem Jahr das Max Ernst Stipendium. Wann genau steht noch nicht fest, da die für den 2. April vorgesehene Preisverleihung im Max Ernst Museums an den in München lebenden südkoreanischen Künstler Minjae Lee abgesagt wurde. Zum Jubiläum erscheint auch ein 264 Seiten starker, reich bebildeter Katalog von Brigitte Freericks, der von ihr mit Unterstützung von Dr. Jürgen Pech erarbeitet wurde. Wir haben beide zum persönlichen Gespräch getroffen.
Max Ernst und Brühl – das war über Jahrzehnte eine komplizierte Beziehung. Dann aber vor 50 Jahren fand der Rat der Stadt Brühl unter der Federführung von Dr. Wilhelm Schumacher und Wilhelm Schmitz einen Weg, sich mit dem berühmtesten Sohn der Stadt zu versöhnen. Seit einem Vorfall im Jahre 1951 war das Verhältnis der Stadt mit dem weltberühmten Künstler zerrüttet. Die ihm später angetragene Ehrenbürgerschaft der Stadt Brühl hatte Max Ernst noch mit dem Hinweis abgelehnt, dieser Titel sei „mit seinem Denken, Handeln und Betragen nicht vereinbar”.
Weitaus besser gefiel dem Surrealisten die Idee eines städtischen Stipendiums, das seitdem jährlich an junge KünstlerInnen vergeben wird. Anlässlich des 80. Geburtstags von Max Ernst im Jahr 1971 wurde dann erstmals im Beisein des großen Künstlers das „Max Ernst Stipendium” verliehen. Der erste Preisträger war der Brühler Hans-Peter Ibrom, der seine Urkunde aus der Hand von Max Ernst entgegennahm.
Der Künstler hatte sich aus Anlass der Einweihung des Max Ernst Brunnens vor dem Brühler Rathaus am 15. Mai 1971 in der Schlossstadt aufgehalten, viele weitere Termine und Ehrungen wahrgenommen und u.a. auch den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt getroffen. Zuvor hatte Max Ernst der Stadt Brühl 34 Radierungen der Maximiliana geschenkt, versehen mit der Widmung „Der Jugend jeden Alters”.
15 Jahre später nahm Dr. Jürgen Pech seine Tätigkeit bei der Stadt Brühl auf. „Ich habe als Verwaltungsangestellter im Kulturamt gearbeitet und war, wie es der damalige Stadtdirektor Dr. Wilhelm J. Schumacher salopp formulierte für alle Tätigkeiten zuständig, die mit dem Buchstaben A begannen: Ausstellungen, Aktionen, Archiv”, berichtet der heutige Wissenschaftliche Leiter des Max Ernst Museums. Auch an seine erste konkrete Aufgabe kann sich der Kunsthistoriker noch gut erinnern.
„Dr. Schumacher bat mich darum, im neuen Rathaus B die Sammlung der Kunstwerke der Max Ernst Stipendiaten zu präsentieren”, erzählt Dr. Jürgen Pech. „Es gab einige Schenkungen etwa von der Brühler Künstlerin Felicitas Redmer. Aber alle anderen Werke von Stipendiaten, die bis 1986 noch nicht vorhanden waren, sollten nachgekauft werden.”
Werke von Preisträgern sind im Rathaus ausgestellt
Das führte zu einigen Schwierigkeiten, weil beispielsweise Preisträger wie Andreas Schulze (1979) und Volker Tannert (1980) inzwischen sehr bekannt und auch auf der Documenta in Kassel vertreten waren. „Das bedeutete, dass es überhaupt nicht mehr möglich war, sieben Jahre später von ihnen Gemälde zu erwerben. Meine Idee war dann, kostengünstig Druckgraphiken zu erwerben”, verrät der Kunsthistoriker. Das gelang.
Diese und auch alle anderen Werke von Preisträgern sind in den Gängen des Rathauses dauerhaft ausgestellt. „Wir haben von allen Preisträgern Werke angekauft”, ergänzt Brigitte Freericks. „Die Stadt Brühl hat festgelegt, dass sie aktuell bis zu einem Betrag von 2.000 Euro ein Kunstwerk des Stipendiaten erwerben kann.”
Für das Max Ernst Stipendium können sich alle KünstlerInnen bewerben, die zum Zeitpunkt der Preisverleihung am 2. April eines jeden Jahres noch nicht älter als 35 Jahre sind und sich noch in der Ausbildung an einer Kunstakademie, Kunsthochschule oder einer vergleichbaren Einrichtung befinden. Bis zu fünf Bilder von Arbeiten wie Gemälde, Plastiken, Fotografien, Druckgrafiken, Objekte oder Videos/Multimedia-Werke können online eingereicht werden. Nach einer Vorauswahl wird dann ein kleiner Kreis gebeten, Werke im Original nach Brühl zu schicken. In der Wahl ihrer künstlerischen Mittel und Themen sind die Kunstschaffenden vollkommen frei.
Das Preisgeld des Max Ernst Stipendiums in Höhe von 10.000 Euro wird zu gleichen Teilen von der Stadt Brühl und der Max Ernst Gesellschaft e.V. zur Verfügung gestellt. Der Preisträger Minjae Lee erhält zusätzlich eine Einzelausstellung im Max Ernst Museum Brühl des LVR, die demnächst eröffnet wird. Der Stipendiat 2020 überzeugte die Jury durch seine künstlerischen Bewältigungsstrategien gegenüber Angst und Vergeblichkeit.
„In einer Welt, die von Polarisierung und Selbstoptimierung geprägt ist, in der persönliche Probleme via sozialen Medien nach außen wie Auszeichnungen getragen werden, arbeitet Lee verstärkt mit seinem eigenen Körper im Verhältnis zu erfahrbarer Räumlichkeit. Bedrängende Enge, Leere und Überlagerungen sind dabei nur wenige Stichworte, die in Ansätzen seine Performances beschreiben können. In Form von Filmen, Fotos oder Relikten dokumentiert er seine künstlerischen Unternehmungen minutiös und konsequent”, heißt es in der Jury-Begründung.
400 Bewerber sind keine Seltenheit
Doch zurück zur Geschichte des Max Ernst Stipendiums. In den vergangenen 50 Jahren hat es sich zu einer renommierten Auszeichnung entwickelt, die für einige Künstler zum Sprungbrett in die nationale und internationale Kunstszene und bei einigen auch zu einer Professur führte. Kamen die ersten Preisträger noch aus Brühl, so bewerben sich inzwischen Künstler aus ganz Deutschland und Europa um das Stipendium. Die Satzung wurde angepasst, der Brühl-Bezug aufgeweicht, die Jury größer, das Preisgeld erhöht. Das Stipendium ist begehrt, über 400 Bewerbungen sind keine Seltenheit.
Dr. Jürgen Pech erinnert sich gerne an viele Begegnungen mit außergewöhnlichen Künstlern. Der viel zu früh verstorbene Martin Noël, dem das Kunstmuseum Bonn im Mai eine Retrospektive widmet, hat ihn beeindruckt. Begeistert denkt er auch an Cornelius Völker zurück, der zur Preisverleihung im Jahr 1997 einen eigenen Film mitbrachte. „Cornelius Völker zeigte uns den Film ,Die Hermannschlacht', in dem auch einige Professoren auftraten, darunter der damals große Max Ernst Kenner Werner Spies”, erzählt Dr. Jürgen Pech, der seit zwei Jahrzehnten auch der Jury angehört, die das Stipendium vergibt.
In der Brühler Stadtverwaltung zeichneten in den vergangenen 50 Jahren lediglich fünf SachbearbeiterInnen für das Max Ernst Stipendium verantwortlich. Dies waren Brigitte Müller, Dr. Jürgen Pech, Ulla Baule, Nicole Ritter und seit 2015 Brigitte Freericks. „Es ist bemerkenswert, dass die Stadt auch in finanziell schwierigen Zeiten immer daran festgehalten hat”, findet Brigitte Freericks. Seit 1998 arbeitet die Kunsthistorikerin in der Stadtverwaltung. Sie ist neben dem Stipendium auch für das Fotoarchiv und die Will Küpper Sammlung zuständig.
Katalog zum Max Ernst Stipendium
Brigitte Freericks ist Autorin der Jubiläumspublikation. „In dem Katalog sind alle Kunstwerke aus unserer Sammlung Junge Kunst abgebildet”, berichtet Brigitte Freericks. „Die Biografien wurden auf den aktuellen Stand gebracht. Es gibt auch einen Bericht über die Annäherung von Max Ernst zu seiner Vaterstadt. Und es gibt ein sehr schönes Fototableau vom Besuch Max Ernsts 1971 in Brühl.” Der Katalog wurde durch das Engagement der Max Ernst Gesellschaft unter dem Vorsitzenden Dieter H.A. Gerhards sowie weiterer Sponsoren wie der Kultur- und Umwelt-Stiftung der Kreissparkasse Köln und dem Landschaftsverband Rheinland möglich. Er rundet die Feierlichkeiten rund um das Jubiläum wunderbar ab.
Tobias Gonscherowski