"Einen Film zu drehen, ist die Hölle"
"Brühl - Globale Stadt", so heißt eine ungewöhnliche Filmreihe, die am 2. Juni startete und noch bis zum 14. Juni im Brühler ZOOM Kino zu sehen ist. Angeregt von Filmenthusiasten aus Münster hat ZOOM in den vergangenen neun Monaten zusammen mit dem Brühler Filmemacher Thorsten Kleinschmidt ein spannendes Projekt realisiert. Ziel war es zu zeigen, wie groß die kulturelle Vielfalt in Brühl ist und wie sehr die vielen zugewanderten Menschen die Stadt bereichern. Denn mehr als jeder zehnte Einwohner der Schlossstadt stammt nicht aus Deutschland.
In Brühl leben Menschen aus 104 verschiedenen Staaten aus allen Erdteilen. Für das Projekt "Globale Stadt" wurden Repräsentanten aus 11 Ländern ausgesucht, die selbst in Kurzfilmen porträtiert werden und anschließend einen Film aus ihrem Heimatland vorstellen, der zumeist in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt wird. Die Kurzfilme wurden von Thorsten Kleinschmidt gedreht, den der Bilderbogen zu einem lockeren Gespräch traf. "Einen Film zu drehen, ist die Hölle, weil man auf so viele Sachen gleichzeitig achten muss", lacht der 20 Jahre junge Filmemacher. "Aber das Schneiden macht einen Riesenspaß, das ist das Paradies." Thorsten Kleinschmidt hat sich voller Begeisterung in seine Aufgabe gestürzt, innerhalb relativ kurzer Zeit 11 Kurzfilme zu drehen. "Es war für mich eine kleine Weltreise. Ich habe die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt und in den Gesprächen mit ihnen wahnsinnig interessante Geschichten erzählt bekommen und viel über die jeweiligen Länder erfahren." Über Kanada und Argentinien, über Finnland, Holland und Italien, über Marokko und Pakistan, über den Iran, Kasachstan, Südkorea und über Australien, aus diesen Ländern stammen die Protagonisten, die von Thorsten Kleinschmidt porträtiert wurden.
"Das Projekt war das interessanteste meiner bisherigen Filmarbeit", erzählt der Abiturient. "Mir wurde dabei bewusst, welch große Vielfalt wir in Brühl haben. Diese darzustellen, war eine Herausforderung." Eine Herausforderung, an die er voller Elan heranging. "Zuerst habe ich mich mit jedem getroffen und ausführlich unterhalten. Dann haben wir gemeinsam überlegt, wie wir den Film gestalten könnten und welche Drehorte geeignet wären. Es war mir wichtig, möglichst abwechslungsreiche Filme zu schaffen, in denen sich jeder gut wieder erkennen kann."
Langer Applaus bei Premiere
Nach dem Dreh ging Thorsten Kleinschmidt oft mit 90 Minuten Rohmaterial an seinen Schnittplatz. "Es war nicht leicht, aus diesem Material einen Film von 8 bis 10 Minuten Länge zu schneiden." Fast alle Filme hat er komplett in Eigenregie erstellt. Er schrieb das Drehbuch, er stand hinter der Kamera, er kümmerte sich um den Ton, er suchte die Musik aus, er schnitt den Film.
Die fertigen Filme wurden dann in der Auftaktveranstaltung der Reihe im ZOOM Kino vor vollem Haus gezeigt. "Das war ein toller Moment für mich, denn jeder Filmemacher träumt ja davon, dass seine Filme auch auf der Kinoleinwand zu sehen sind. Und nicht jedem gelingt das." Das Publikum wurde bestens unterhalten und spendete verdientermaßen reichlich Applaus. Unter den Gästen war auch Bürgermeister Michael Kreuzberg, der länger blieb als ursprünglich geplant und sich köstlich amüsierte, als das Porträt seines Nachbarn an der Reihe war. Das zeigte den Australier David O'Connor, der lässig in seinem Garten in der Hängematte lag, von seiner Frau ein Bier gereicht bekam und über das Leben eines Australiers in Deutschland philosophierte.
Kulturelle Vielfalt in Brühl
Jede Lebensgeschichte für sich alleine betrachtet war schon spannend, alle elf zusammen ergaben ein schönes Bild über eben jene kulturelle Vielfalt in Brühl. Da war der Kanadier Paul Christensen, der nach der Schule durch Europa tourte und sich wunderte, überall Deutsche zu treffen, die ihm ihre Adresse gaben. Eine davon stammte aus Brühl. Er fuhr tatsächlich nach Brühl, staunte nach seiner Ankunft am Brühler Bahnhof über das prächtige Schloss und lernte am Abend dann seine spätere Frau kennen. Irina Lengwenat aus Kasachstan galt als Russland-Deutsche und verbrachte ihre ersten Wochen nach der Übersiedlung nach Deutschland in einer engen Turnhalle. Noch heute bleibt sie nachdenklich vor dem Gebäude stehen. Den Pakistaner Arshad Qureshi zog es gegen den Willen seines Vaters nach Europa, wo er studieren wollte. Doch er blieb im Phantasialand hängen, wo er erst den Doppeldeckerbus durch Alt-Berlin kutschierte, es dann schrittweise bis zum Abteilungsleiter brachte und jetzt als Eventkoordinator die 120 Artisten der Shows und Attraktionen betreut.
Thorsten Kleinschmidt hat sich für alle Porträts etwas einfallen lassen, die Menschen einfühlsam begleitet und ihnen zugehört. Die Finnin Ulla Vilkman berichtet im Rathaus von ihren Erfahrungen, die iranische Künstlerin Homa Enami zeigt er bei einer "Installation", die Italienerin Donatella Chiancone-Schneider begleitete er in den Kaiserbahnhof. Alicia Pontones aus Argentinien besuchte er im Kloster Benden, mit der südkoreanischen Krankenschwester Young-Sin Kim beobachtete er die Schildkröten im Schlosspark. Leo Teijgeler aus Holland antwortete auf die Frage, was ihm denn in Deutschland besser gefalle als daheim, schmunzelnd: "Da fällt mir auch bei längerem Nachdenken nichts ein." Und Hassan Fikes, der aus Marokko stammt und in Brühl-Vochem den Jugendtreff leitet, sehen wir als lebendige Tischfußball-Figur.
Sie alle hat Thorsten Kleinschmidt auf seiner Mini-DV-Kamera festgehalten. "Mit 16 Jahren habe ich richtig angefangen, Filme zu machen", berichtet er. "Ich habe ein Drehbuch geschrieben für meinen ersten Film "Wenn es dunkel wird". Ein paar Freunde von mir haben darin mitgespielt, die das ganz spannend fanden. Es war auch schon länger mein Wunsch, einen Film über Brühl zu drehen, und als ich von dem ZOOM-Projekt erfuhr, war mein Interesse sofort geweckt." Die Personen stehen im Vordergrund, doch Brühl dient als Kulisse mit vielen Facetten.
Neues Dokumentarfilmprojekt
Unterstützt wurde Thorsten Kleinschmidt vom ZOOM Kino in Person von Hans-Jörg Blondiau und Renate Schönhütte. "Ich habe bei dem Projekt viel gelernt und hoffe, dass es mir für meine filmemacherische Zukunft etwas bringt." Im Wintersemester beginnt der gebürtige Brühler jetzt sein Studium an der renommierten Kunsthochschule für Medien in Köln. Die Aufnahmeprüfung bestand er. "Ich musste Arbeitsproben einreichen und thematische Arbeiten zu dem vorgegebenen Thema "Gegenüber" abgeben. Danach wurde ich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, eine Woche später hatte ich den positiven Bescheid im Briefkasten. Für mich ist das ein Traumstudium", sagt er. "Ich würde in Zukunft gerne abwechselnd Spiel- und Dokumentarfilme drehen." Ein früherer Absolvent der Hochschule ist übrigens Hans Weingartner, der mit Filmen wie "Die fetten Jahre sind vorbei" gute Kritiken erhielt.
Als Vorbild nennt Thorsten Kleinschmidt einen bekannten Namen: Stanley Kubrick. Mit 17 Jahren hat er sich die ersten Filmbücher besorgt, das berühmte Interviewbuch von François Truffaut mit Alfred Hitchcock verschlungen, viel über Kubrick, Wim Wenders und andere gelesen und sich etliche Filme angeschaut. Parallel dazu hat er das Max-Ernst-Gymnasium besucht, in der Theater-AG von Freimut Eschner mitgewirkt und 2004 schließlich sein Abitur gebaut. Danach tourte er mit Freunden als Rucksack-Tourist sechs Wochen durch Costa Rica, die Kamera natürlich immer dabei. Jetzt will er vor dem Beginn seines Studiums erst einmal ausspannen und dann im August ein Dokumentarfilmprojekt über ein Dorf in Serbien verwirklichen. Und wenn es nach ihm ginge, dürfte es auch gerne im nächsten Jahr Teil Zwei von "Brühl - Globale Stadt" geben. Er würde wieder mitmachen.
Tobias Gonscherowski