Jahrgang 2006
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Die Fußball-Weltmeisterschaft und das überraschend gute Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft hat das Land in eine vierwöchige Dauerparty versetzt. Überall wurde gefeiert und buchstäblich Flagge gezeigt. Zehntausende schauten sich auch im Rheinland vor Großbildleinwänden die Spiele an, nie zuvor wurden so viele Fahnen geschwenkt, aus den Fenstern gehängt oder an den Autos befestigt. Ist das ein neuer Patriotismus oder lediglich eine temporäre Erscheinung, die sich auf die WM beschränkte? Wir haben uns in der Stadt auf Stimmenfang begeben.



 

 
Micka Berboth:
 
Ich bin nicht der Fahnen-schwenker. Wir haben uns in unserer Jugend in den siebziger Jahren noch die Flagge vom Bundeswehrparker ab-geknibbelt. Ich finde es alles ein bisschen übertrieben. Abgesehen davon finde ich schwarzrotgold auch nicht gerade eine schöne Farbenkombination. Und Hulla-Girlanden in diesen Farben sind albern. Patriotismus empfinde ich nicht, aber ich freue mich, wenn Deutschland Fußballspiele gewinnt.



 

 
Reiner Besse:
 
Was heißt neuer Patriotismus? Das beschränkt sich erst einmal auf Fußball-Deutschland und ist ein Gefühl der Begeisterung. Unter Patriotismus verstehe ich etwas anderes. Der Begriff ist mir fremd. Ich bin kein Patriot, sondern friedensbewegt als Christ, der nicht national eingschränkt ist und beim Ansehen der Menschen keine großen Unterschiede macht. Man kann auf viele Sachen stolz sein. Viele Dinge in Deutschland sind gut. Das kann man ansprechen. Aber deshalb hänge ich mir keine Fahne aus dem Fenster, das macht mein Sohn. Das hat mit Fußball zu tun, er spielt selbst Fußball.



 

 
Ingo Wieland:
 
Ich finde die Begeisterung im Rahmen eines Großereignisses eine tolle Sache. Sie artet ja nicht nationalistisch aus. Ein gesundes Selbstbewusstsein ist nicht verkehrt. Teilweise finde ich die Form übertrieben, das hat etwas Karnevalistisches. Leider sind die Kostüme etwas eindimensional.



 

 
Markus Fertig mit Sohn Leonard:
 
In diesem positiven Sinn begrüße ich das absolut. Das hat sich auch von der Presse nicht einschüchtern lassen. Mein ganzer Freundeskreis zeigt Flagge. Ich glaube, das hält auch über die WM an. Hoffentlich geht der Trend weiter. Die Menschen in anderen Ländern machen es doch auch.



 

 
Elke Klimowitsch:
 
Ich finde es gut, dass sich die Menschen solidarisieren. Es ist eine Freude, zusammen zu sein und dieses Gemeinschaftsgefühl zu teilen. Es ist schön, dass alles friedlich abläuft. Das hat Deutschland gebraucht. Wir gehen mit der Fahne unverkrampft um, anders als die frühere Generation. Wir haben Fahnen aus dem Fenster hängen und am Auto angbracht.



 

 
Helmut Malz mit Tochter Laura-Sydney:
 
Bei mir kommt mehr zusammen: Fan sein, Spaß und Patriotismus. Die Deutschen stehen zur Fahne. Das ist doch wunderbar. Ich glaube, das wird auch weitergehen. Das Motto, die WM zu Gast bei Freunden, hat doch gut funktioniert. Bei den Spielen ziehe ich ein Trikot an und fiebere mit. Hauptsache, man ist mit dem Herzen dabei. Vielleicht gibt uns die WM einen Schub für die weitere Entwicklung in unserem Land.



 

 
Anna Hübner und Maren Mettelsiefen:
 
Wir finden das toll. Wenn wir Fußball gucken, machen wir das ganze Programm. Deutsches Trikot, Schal, Fahne, so gehen wir zum Heumarkt. Es macht Spaß zusammen zu gucken, zu jubeln und zu feiern.



 

 
Klaus Kotte und Sabine Hamm:
 
Es ist ein bisschen übertrieben, aber in Ordnung. Erst gab es in dieser Hinsicht gar nichts, dann macht es fast jeder. Die Euphorie kam explosionsartig und ist übertrieben. Wenn man fürs nationale Selbstbewusstsein den Fußball braucht, dann armes Deutschland. Wenn wir auf Berlin blicken, hat man wenig worauf man stolz sein kann. Die Politiker verarschen einen doch nur und brechen ihre Wahlversprechen. Das sind alles Lügenbolde und Schmarotzer, die sich die Taschen vollstopfen. Deutschland ist für uns ein guter Standort, wir leben im Großen und Ganzen gerne hier.



 

 
Norbert Krausen:
 
Ich finde es gut, dass die Deutschen ein bisschen Patriotismus zeigen. Es sollte nicht ausufern. Aber man kann ruhig Selbstbewusstsein zeigen, zeigen, dass wir wer sind. Bisher hat sich ja alles im Rahmen gehalten und war friedlich. Nach der Fußball-WM, wenn die Begeisterung vorbei ist, wird es wieder abflachen.


Eine Umfrage von Tobias Gonscherowski (Text) und Bernhard Münch (Fotos).

 

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