"Bei schwülem Wetter und 30 Grad ist Fingerspitzengefühl gefragt"
Bernd Krajewski hat alles im Blick. Wenn es die jugendlichen Badegäste im Brühler Schwimmbad wieder einmal zu bunt treiben, schreitet er ein. Dann beugt er sich in seinem "Büro" vor, nimmt sich das Mikrophon und spricht beschwichtigend auf die überdrehten Kids ein. "Liebe Kinder an der Rutschbahn. Dies ist eine Rutschbahn und keine Bobbahn", sagt er ruhig, aber bestimmt. "Bitte beachtet die Ampelanlage und rutscht einer nach dem anderen." Die Botschaft ist angekommen, die Kinder haben verstanden. Eine Junge hebt den Arm und signalisiert es ihm deutlich. Der Schwimmmeister lehnt sich wieder zufrieden zurück, beobachtet weiterhin abwechselnd die Kontrollmonitore in seinem Aufsichtsraum sowie das Treiben im Schwimmbecken. Und analysiert zwischendurch auch immer wieder die mehrmals täglich entnommenen Wasserproben. Bernd Krajewski macht einen gelassenen Eindruck, er setzt lieber auf einen kameradschaftlichen als auf einen autoritären Ton. Seit über dreißig Jahren übt er seinen Beruf aus, der sich im Laufe der Jahre doch sehr verändert hat.
Als Rettungsschwimmer fing er an
Früher nannte man ihn und seine Kollegen gerne Bademeister. Das Klischee war, dass dies ein toller Job sei, bei dem man nicht viel mehr tun müsse, als bei schönem Wetter braungebrannt mit einer Trillerpfeife im Mund auf einem Hochsitz neben dem Beckenrand zu hocken und den Bikinischönheiten beim Planschen zuzuschauen.
Heute ist das ganz anders. Bademeister wird er schon lange nicht mehr gerufen. "Das sind die Leute, die in eine medizinischen Bäderbetrieb an der Badewanne stehen", lacht Bernd Krajewski.
"Schwimmmeister trifft es schon eher." Doch im korrekten Beamten-deutsch nennt sich sein Beruf jetzt "Fachanstellter für Bäderbetriebe". Wir bleiben lieber beim Schwimm-meister. Bernd Krajewski erzählt uns, wie er zu seinem Job kam.
Eigentlich hatte er Kfz-Elektriker gelernt und in seiner Geburtsstadt Essen gearbeitet. Dann wurde er arbeitslos. Da er aber einen Rettungsschwimmerschein besaß und öfter Kollegen im Essener Freibad ehrenamtlich unterstützte, fand er schnell ein neues Betätigungsfeld. Das war Anfang der siebziger Jahre. "Damals war es noch kein anerkannter Lehrberuf", erinnert sich Bernd Krajewski. "Es gab einen staatlich geprüften Schwimmmeister. Ich habe dann meine Prüfung abgelegt, deren Prüfinhalte ich mir alle selber erarbeitet habe."
Jede Sekunde kann etwas passieren
Inzwischen ist das alles selbstverständlich streng geregelt. Die Ausbildung dauert drei Jahre, die Inhalte sind genau definiert. Der Schwimmmeister von heute muss nicht nur im Wasser in seinem Element sein und schwimmen, tauchen, retten und alles was dazugehört können, sondern auch mit der Technik eines Schwimmbadbetriebes vertraut sein und auch über ein solides Grundwissen in Chemie verfügen. Und er muss mit Menschen umgehen können, muss wilde Kinder und pubertierende Teenager bändigen und nörgelnde Mütter und reklamierende Rentner beruhigen können. Er muss mit den Gästen sensibel und mit Fingerspitzengefühl umgehen können, gerade wenn es draußen über 30 Grad heiß und schwül ist.
Bernd Krajewski kann das. Nach seiner Meisterprüfung in Essen wechselte er 1976 nach Brühl. Damals, in Zeiten des Personalmangels (!), wurde ihm die Stelle angeboten. Er nahm an und hat es bis heute nicht bereut. "Ich habe mich in Brühl bestens eingelebt, schnell einen Freundeskreis gefunden und möchte gar nicht mehr zurück in die Großstadt. Brühl bietet alles, was das Herz begehrt." Während er uns all das erzählt, steht er immer wieder auf, spricht mit Badegästen oder kümmert sich um das Nasenbluten eines Jungen. Dann entschuldigt er sich kurz und geht eine Runde durchs Schwimmbad. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass jederzeit etwas passieren kann und es dann oft um Sekunden geht.
Da hat er schon viel erlebt. Manchmal muss er so schnell reagieren, dass er beim Sprung ins Becken vergisst, vorher noch sein Mobiltelefon an "Land" zu lassen. Auch in diesem Jahr war er schon ein paar Mal im Wasser. Rund ein Dutzend Mal musste er im Laufe seiner über dreißig Dienstjahre Badegäste reanimieren. Vier Mal kam leider bei einem akuten Herz-Kreislaufversagen jede Rettung zu spät. Doch es muss nicht immer so dramatisch laufen. Auch kleinere Einsätze retten Leben. Doch als Lebensretter sieht sich Bernd Krajewski nicht. "Man hilft und gut ist", sagt er nüchtern. "Es ist schön, wenn man erfolgreich umsetzen kann, was man gelernt hat. Man muss zum richtige Zeitpunkt am richtigen Ort sein."
Die Reaktionen der Geretteten oder deren Angehörigen fallen ganz unterschiedlich aus. "Viele bedanken sich, manchmal wird man angemacht. Einmal gab es eine Mutter, die interessierte gar nicht, dass ihr Kind gerade verunglückt war. Da war ich sprachlos." Irritierend findet der Schwimmmeister auch, dass oftmals Badegäste sehen, dass jemand Hilfe benötigt, sie aber nicht reagieren. "Sie gucken dann mich an und fühlen sich nicht zuständig", sagt Bernd Krajewski. "Man liest so etwas ja in der Zeitung: Hundert Menschen schauen zu und keiner hilft. Komischerweise ist das im Saunabereich ganz anders. Da passen die Gäste ganz genau aufeinander auf."
An Spitzentagen über 3.300 Gäste
Bernd Krajewski und seine Kollegen müssen im Brühler Karlsbad an heißen Tagen im Freibad auf über 3.300 Menschen aufpassen. So viele Menschen suchen im wunderschönen Erlebnisbad im Herzen von Brühl Abkühlung und Abwechslung. Die Schwimmmeister sorgen für einen reibungslosen Ablauf und achten darauf, dass niemand belästigt wird. "Wenn ein paar ältere Herrschaften sich über ein sich besonders innig knutschendes junges Pärchen beschweren, gehe ich dann zu den jungen Leuten und sage einfach einen lockeren Spruch wie: Bitte nicht ganz so viel Wiederbelebung. Das kommt dann immer besser an als plumpes Zurechtweisen", meint Bernd Krajewski.
Manchmal muss aber auch der geduldige Schwimmmeister resolut werden. Oder zu ganz anderen Mitteln greifen. Einmal beobachtete er lange nach Dienstschluss, ein paar Jungs, die in der Dunkelheit über den Zaun kletterten und ein paar Runden im Schwimmbad drehen wollten. Da es das schon früher gab und auch schon in Vandalismus ausartete, rief Bernd Krajewski die Polizei. Zusammen schlichen sie dann ins Freibad, schnappten sich alle Kleidungs-stücke der Schwimmer und stellten sich dann an den Beckenrand. Die ungebetenen Badegäste waren überrumpelt und jeder Fluchtmöglichkeit beraubt. Sie bekamen eine Anzeige und Hausverbot. "Wir müssen da streng sein, weil es schon öfter vorgekommen ist, dass Eindringlinge das Schwimmbad verwüstet haben, Mülleimer samt Inhalt ins Becken geworfen und einen Saustall hinterlassen haben", erklärt Bernd Krajewski.
So bietet der Job im Karlsbad immer wieder täglich aufs Neue Abwechslung und andere Herausforderungen. "Es wird nie langweilig, es ist kein monotoner Betrieb." Das liegt auch an den Aktionen, die immer wieder veranstaltet werden. In den Sommerferien gibt es ein Zeltlager mit Übernachtung und vielfältigem Programm für Jugendliche. Am 6. August findet wieder der "Brühl-Tag" statt, an dem alle Bewohner Brühls freien Eintritt haben. Spiel und Sport werden geboten, eine Modenschau, ein Karaoke-Wettbewerb und einige Überraschungen. Bernd Krajewski wird auch dann wieder auf alles aufpassen. So wie er das seit dreißig Jahren tut.
Tobias Gonscherowski