Jahrgang 2010
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„Jeder Einzelne kann dabei helfen, Probleme zu mildern”

(tg) Kürzlich führten die Ortsgruppe Brühl von „attac“ sowie der „Eine-Welt-Laden“ in einer gemeinsamen Aktion einen „kritischen Stadtrundgang“ durch Brühl unter dem Motto „Brühl global – was geht lokal?“ durch.

Wir haben Frank Milde, den Geschäftsführer der attac-Ortsgruppe Brühl zusammen mit Maria Blech (bei attac verantwortlich für Finanzen) und Anneliese Bork, die Vorsitzende des Eine-Welt-Ladens, zum Interview getroffen. Weitere Rundgänge finden am 8. Mai, 10. Juli und 11. September statt.

BBB: Warum haben Sie diesen Rundgang veranstaltet?

Frank Milde: Wir wollen Probleme benennen, bewusst machen, ein Umdenken initiieren und dabei Alternativen aufzeigen. Jeder kann selbst handeln. Selbstverständlich hat das Ganze auch eine politische Dimension. Es geht um die großen Zusammenhänge. Das Wirtschaftssystem muss sich ändern. Es darf nicht immer nur um Wachstum gehen. Zu Anfang unseres zusammen mit dem Eine Welt Laden veranstalteten Rundgangs haben wir ein Rollenspiel gezeigt: Jemand wacht auf und merkt, dass alle Produkte des täglichen Lebens, die aus Entwicklungsländern stammen, verschwunden sind. Die Unterhose aus Baumwolle ist weg, der Wasserhahn aus Chrom fehlt, das Handy, in dem Coltan steckt, ist nicht mehr da, der Kaffee usw. Wir sind angewiesen auf diese Dinge. Dafür wollten wir das Bewusstsein schaffen.

 

BBB: Was kann der Einzelne für eine gerechtere Welt tun?

Milde: attac hat mehrere Ansätze. Dazu gehört auch der der Bildung und Weiterbildung. Wir beschaffen uns Informationen und regen zu einem Meinungsaustausch an. Wir hinterfragen das Konsumverhalten kritisch. Das geht übrigens auf eine Initiative von B.U.N.D. zurück, die auch bei attac Mitglied sind. Im Rahmen von „Brühl global – was geht lokal?“ werden globale Probleme angesprochen. Wir fragen uns, wie jeder Einzelen schon beim Einkaufen Probleme angehen und mildern kann. Jeder hat die Wahl bei seiner Kaufentscheidung. Gehe ich beim Discounter einkaufen oder unterstütze ich das lokale Reformhaus, den Wochenmarkt oder den Bioladen? Die Unternehmen fürchten heutzutage nicht mehr die Gewerkschaften, sondern das Konsumentenverhalten. Wir glauben, dass die Discounter lokale Arbeitsplätze vernichten. Sie setzen die Produzenten enorm unter Druck, diktieren die Preise wie bei der Milch.

 

BBB: Wo sehen Sie noch Probleme?

Maria Blech: In Deutschland gibt es 27 Millionen Schweine, 13 Millionen Rinder und rund 400 Millionen Hühner. Um ein Kilo Fleisch zu produzieren werden 10 Kilo Getreide benötigt, weiterhin Wasser, Sprit, Energiekosten. 80 Prozent des Futterbedarfs wird exportiert, vor allem aus Entwicklungsländern. Dort werden die kleineren Bauern vertrieben, die Großen übernehmen. Die verwenden chemischen Dünger, holzen den Regenwald ab, Monokulturen entstehen. Die Menschen in den Entwicklungsländern hungern, weil alles exportiert wird. Und in Deutschland werden 88 kg Fleisch pro Kopf produziert, aber nur 65 kg verkauft. Wo landet der Rest? Der wird teilweise vernichtet, der wird als Gammelfleisch nach Afrika exportiert. Wir leben im Luxus, aber geht es uns deswegen besser?

 

BBB: Warum haben Sie bei dem Rundgang durch Brühl auch vor einem Blumengeschäft oder ein Bank Station gemacht?

Anneliese Bork: Der Markt wird überschwemmt mit Blumen aus Übersee, die über die Niederlande in die EU gelangen. In den Entwicklungsländern wird billig und unter unmenschlichen Bedingungen angebaut. Die Felder werden mit Pflanzenschutzmitteln besprüht, während dort Menschen arbeiten. Es gibt aber Alternativen. Blumen aus fairem Handel, die das FLP-Gütesiegel tragen. Aber das ist noch nicht bekannt genug. Darüber kann man sich im Eine Welt Laden informieren. Auch die Bankenproblematik gehört zu den wichtigsten Themen. Über die Bankenkrise wurde ja schon viel berichtet. Dadurch dass der IWF die Entwicklungsländer dazu zwingt, seine Schulden zurückzuzahlen, müssen diese wie gesagt ihre Produkte exportieren. Mit dem Ergebnis, dass die Menschen dort hungern, obwohl sie ihren Erträgen leben könnten.

 

BBB: Wie stehen Sie zur Kernenergie und der Alternative Ökostrom?

Milde: attac ist erklärtermaßen gegen die Kernenergie und für den Atomausstieg. Der Begriff „Ökostrom“ ist problematisch, weil er ja gesetzlich nicht geschützt ist. attac hat Kriterien aufgestellt, nach denen es den Strom beurteilt. Die Kernenergie muss dabei selbstverständlich ausgeschlossen sein. Was uns hierzulande als „Ökostrom“ verkauft wird, ist meistens keiner. Zwar kommt der Strom dann beispielsweise aus einem Wasserkraftwerk in Norwegen. Doch das besteht bereits seit Jahren. Wenn ein deutscher Konsument nun von dort seinen Strom bezieht, entsteht für norwegische Verbraucher ein Defizit, das über den Ankauf ausländischer Kernenergie wieder geschlossen wird. In der Summe ändert sich nichts. Meine Absicht also, durch den Bezug von sogenanntem Ökostrom den Ausbau regenerativer Energie zu fördern, lässt sich schwer in die Tat umsetzen. Aber es geht mit „Greenpeace Energy“, „Naturstrom“ oder „Elektrizitätswerke Schönau“, die auf Atomstrom verzichten.

 

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