52 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Es ist die höchste Zahl seit dem zweiten Weltkrieg. Sie entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Spanien und Dänemark zusammen. Diese Flüchtlingswelle hat Auswirkungen bis nach Brühl, wo in den letzten Monaten auch vermehrt Flüchtlinge eingetroffen sind. Um diese Flüchtlinge kümmert sich u.a. die Integrationsbeauftragte der Stadt Brühl, Daniela Kilian. Wir haben uns mit ihr getroffen.
Auf www.bruehl.de, dem offiziellen Internetauftritt der Stadt Brühl, werden die Aufgaben der Integrationsbeauftragten bereits ausführlich beschrieben. Elf Aufgabenbereiche werden aufgezählt, das Wort „Flüchtling“ taucht dabei nicht auf, der Terminus „Asylbewerber“ übrigens auch nicht. Das ist aber kein Indiz für die fehlende Sensibilität mit dieser Thematik, ganz im Gegenteil, denn Flüchtlinge sind hier ebenfalls unter dem Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ erfasst. Die Stadt Brühl tut sehr viel für die Flüchtlinge und ihre Versorgung und Unterbringung.
„In den letzten Wochen und Monaten hat die Zahl der Flüchtlinge enorm zugenommen“, berichtet Daniela Kilian. Kurz vor Karneval kamen 17 weitere, u.a. aus Syrien und dem Kosovo, dazu. Aktuell leben 199 Flüchtlinge in Brühl in vier städtischen Unterkünften und zusätzlichen separat angemieteten Wohnungen. Die aktuelle Entwicklung führt dazu, dass sich die Stadt sofort um die Menschen kümmern muss. „Dort, wo es brennt, muss man zuerst hin“, sagt die Integrationsbeauftragte pragmatisch.
Die Fürsorgepflicht für die Flüchtlinge hat im Moment Priorität, in der alltäglichen Arbeit der Integrationsbeauftragten ist sie dagegen nur ein Schwerpunkt unter vielen. Denn Daniela Kilian ist zuständig für alle Aspekte rund ums Thema Integration. In Brühl leben 46.000 Einwohner. 12 Prozent davon besitzen einen ausländischen Pass. Weitere ca. 10 Prozent haben inzwischen einen deutschen Pass, sind aber andernorts geboren. Viele von diesen Menschen wohnen schon lange in Brühl, andere sind erst seit kurzer Zeit hier. Einige gründen Vereine und Unternehmen und tragen zur kulturellen und wirtschaftlichen Vielfalt in Brühl bei.
Auch Deutsche rufen an
Daniela Kilian ist sie aber nicht nur Ansprechpartnerin für die Mitbürger mit ausländischem Pass, sondern auch für die deutschen Bewohner Brühls. „Ich werde von Leuten angerufen, die ein Familienfest oder einen Kindergeburtstag feiern und dazu auch Mitbürger mit einem Migrationshintergrund einladen. Sie wollen dann von mir wissen, worauf sie achten müssen und was sie vermeiden sollen“, erzählt Daniela Kilian. Dabei lernen sie dann etwa, dass Gummibärchen nicht gleich Gummibärchen ist, weil das eine gegebenenfalls Gelatine enthält, die in Deutschland überwiegend aus Schweineschwarten hergestellt wird, das andere hingegen nicht.
Als „Ansprechpartnerin in allen Fragen der Integration“, so die Arbeitsplatzbeschreibung auf bruehl.de, kümmert sich Daniela Kilian um die unterschiedlichsten Anliegen. Sie hilft bei Fragen wie etwa der Errichtung eines muslimischen Gräberfeldes ebenso weiter, wie bei der Organisation und Durchführung von runden Tischen, der Einrichtung von Sprachkursen, der Bildung von Netzwerken oder der Öffentlichkeitsarbeit.
„Wir wollen Vorurteile gegenüber den Mitbürgern mit Migrationshintergrund oder Flüchtlingen abbauen, Ängste nehmen und dabei helfen, die Voraussetzungen für ein gutes Miteinander zu schaffen“, sagt Daniela Kilian, die seit 14 Jahren bei der Stadt Brühl arbeitet und im dritten Jahr die Integrationsbeauftragte der Stadt Brühl ist.
Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration von Migranten und Flüchtlingen ist, dass diese die deutsche Sprache erlernen. Es ist nicht damit getan, sie unterzubringen, sie versorgen und ihnen Leistungen auszuzahlen. Wenn sie sich in ihren Unterkünften selbst überlassen werden, wird eine Integration ohne Sprachkenntnisse sehr schwierig. Unterstützt und betreut werden die Migranten und Flüchtlinge von ehrenamtlich tätigen, ausgeblideten Intergrationslotsen, die sich in der Muttersprache mit den neuen Brühler Mitbürgern unterhalten können und ihnen bei Behördengängen helfen. Die Stadt Brühl hat bereits zwei Lehrgänge für die Integrationslotsen durchgeführt und sehr gute Erfahrungen mit ihnen gemacht.
Kapazität für 237 Flüchtlinge
Die Integrationslotsen können helfend und beratend zur Seite stehen, die deutsche Sprache können und sollen sie den Migranten und Flüchtlingen nicht beibringen. Dafür gibt es „Willkommenssprachkurse“, die in Kooperation mit der Volkshochschule angeboten werden. 90 Prozent der neuen Mitbürger nehmen an diesen Kursen, die zweimal in der Woche zu jeweils zwei Stunden stattfinden, freiwillig und gerne teil.
Daniela Kilian ist froh darüber, dass es in Brühl einen großen gesellschaftlichen Konsens über den Umgang mit Migranten und Flüchtlingen gibt. Ausländerfeindliche Aktionen gab es zum Glück noch nicht. „Diese Menschen, die teilweise schreckliche traumatische Erlebnisse verarbeiten müssen, machen in Brühl gerade einmal 0,4 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Mir sind auch keine großen Vorbehalte bekannt“, sagt die Integrationsbeauftragte. Brühl hat seine Kapazität von insgesamt 237 Plätzen noch nicht ausgereizt. Die Rekordzahl von rund 600 Migranten und Flüchtlingen in den neunziger Jahren dürfte sicherlich auch nicht wieder erreicht werden.
„Ich will den Integrationsprozess voranbringen“
Daniela Kilian ist seit Anfang des Jahres 2013, als sie die Nachfolge von Antje Cibura antrat, die Integrationsbeauftragte der Stadt Brühl und der Stabsstelle 02 – Gleichstellung und Integration – zugeordnet und damit direkt dem Bürgermeister unterstellt. Die Diplom-Verwaltungswirtin mit einem Masterabschluss in Europäischem Verwaltungsmanagement ist gebürtige Brühlerin und 41 Jahre alt. „Ich mag die Herausforderung, die Vielschichtigkeit der Aufgabe“, sagt sie. „Man muss auf verschiedene Situationen schnell reagieren. Man lernt täglich dazu.“ Dank ihrer weit über zehnjährigen Berufserfahrung in der Verwaltung der Stadt Brühl kennt sie alle wichtigen Ansprechpartner sowohl in den zuständigen Ämter für Soziales und Jugend als auch die vielen ehrenamtlichen Helfer bei den Kirchen, sozialen Vereinen und Wohlfahrtsverbänden, die kommunalen Vertreter sowie die Integrationslotsen. Auch Vertreter der Brühler Moschee sind wichtige Ansprechpartner. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, alle freuen sich über gegenseitige Unterstützung. „Ich will den Integrationsprozess voranbringen“, verfolgt Daniela Kilian, die drei Fremdsprachen spricht, ehrgeizige Pläne. „Bei mir laufen viele Fäden und Informationen zusammen. Ich versuche dann, die Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen.“
Der Job bringt schöne Erlebnisse ebenso mit sich wie negative Erfahrungen. „Wenn man von schweren Einzelschicksalen erfährt, von der Geschichte dahinter, besteht die Gefahr, dass man zu sehr involviert wird. Man darf auch nicht alles an sich heranlassen“, meint Daniela Kilian. Umso schöner ist es, wenn die größeren und kleineren Probleme der Migranten und Flüchtlinge zumindest in Brühl gelöst werden können.
Weitere Informationen zur Arbeit der Integrationsbeauftragten sowie ein Pdf des Integrationsatlas’, einen Wegweiser zu wichtigen Adressen für Zugewanderte, gibt es auch im Internet unter www.bruehl.de.
Tobias Gonscherowski