Seit September des vergangenen Jahres verstärkt Friederike Voßkamp als wissenschaftliche Volontärin das Team des Max Ernst Museum Brühl des LVR. Nun zeigt das Museum bis zum 8. April die umfangreiche Ausstellung „Johanna Reich – Die gestohlene Welt“. In ihren Arbeiten beschäftigt sich die in Köln lebende Videokünstlerin und Trägerin des Frauenkulturpreises des LVR mit der rasant voranschreitenden Digitalisierung und medialen Vereinnahmung unserer Alltagswelt. Wir haben mit Friederike Voßkamp über die Ausstellung und ihre Aufgaben gesprochen.
BBB: Frau Voßkamp, worauf können sich die Besucher der Ausstellung mit Werken von Johanna Reich freuen?
Friederike Voßkamp: Die Ausstellung zeigt rund 20 Arbeiten, darunter zahlreiche Videoinstallationen, Fotografien sowie eine aktuelle Arbeit zur Handschrift, die meist zusammen mit Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern entstanden sind. Johanna Reich ist fasziniert von Technik; sie bezeichnet sich selbst als „Technik-Nerd“. In ihren Werken beleuchtet sie das Verhältnis zwischen realen und virtuellen Bildern und lenkt den Blick darauf, welche Auswirkungen das Ineinandergreifen von digitaler und wirklicher Welt auf unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln hat. Eigens für die Ausstellung entwickelte sie außerdem die Videoarbeit „Cut-Out“ zu Max Ernsts Figurengruppe „Corps enseignant pour une école de tueurs“ im Außenbereich des Museums.
BBB: Besonders beeindruckend ist auch das Projekt „Heroines“.
Voßkamp: Genau. Für dieses Projekt fragte die Künstlerin Mädchen nach ihren Rollenvorbildern, ließ sie ein Foto dieser Persönlichkeiten auswählen und projizierte es auf das Gesicht der Projektteilnehmerin. In der Ausstellung sind diese Projektions-Collagen als Plakat, Fotofahne und auf Dibond zu sehen. Ein wiederkehrendes Motiv vor allem in den früheren Werken von Johanna Reich ist auch das Verschwinden aus der medial bestimmten Welt, das sie teilweise mit Verweis auf künstlerische Vorbilder der Moderne wie Lucio Fontana oder Kasimir Malewitsch ins Bild rückt. Die Videoperformances „LINE III“ oder „A Drone Painting“ lassen die Museumsgäste beispielsweise miterleben, wie sich die Künstlerin der allüberwachenden Kamera mit Hilfe analoger Mittel wie der Malerei entzieht. Im Projekt „Der Blick auf die Welt“ fragte Johanna Reich nach „bleibenden“ fotografischen Bildern der Zeitgeschichte, die sich ins globale und persönliche Gedächtnis eingebrannt haben. Sie bat die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer darum, ihre Auswahl zu begründen und zeichnete die Antworten als Audiodatei auf. Das ausgewählte Bild projizierte sie auf die Körper der Teilnehmenden und hielt die Überblendung fotografisch fest. In der Ausstellung sind die Resultate auf Fotofahnen zu sehen. Die Berichte der Mitwirkenden können bei der Betrachtung der Werke über Kopfhörer angehört werden. Mit diesen persönlichen Erzählungen eröffnet Johanna Reich im Sinne einer „Oral-history“-Collage einen individuellen Blick auf massenmediale Ereignisse wie den Mauerfall oder die Mondlandung.
BBB: Kommen wir auf Ihre Person zu sprechen. Sie gehören seit einem halben Jahr zum festen Team des Max Ernst Museums. Vielleicht stellen Sie sich einmal kurz vor.
Voßkamp: Ich bin gebürtige Bonnerin und habe in Heidelberg Kunstgeschichte, Archäologie und öffentliches Recht studiert. Parallel zu meinem Magisterstudium habe ich an der Ecole du Louvre in Paris einen Master in Museologie absolviert. Nach dem Abschluss meines Studiums war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg tätig und habe dort auch meine Promotion zum Thema „Die Darstellung der Vier Jahreszeiten in der bildenden Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts“ begonnen, die den Wandel der Jahreszeitenikonographie im Zuge der Aufklärung untersucht. Jetzt freue ich mich, wieder in meiner Heimatstadt Bonn zu sein und in Brühl im hochmotivierten Team des Max Ernst Museums arbeiten zu können.
BBB: Was gehört zu Ihrem Aufgabengebiet?
Voßkamp: Die Tätigkeit ist sehr vielfältig, was einen besonderen Reiz ausmacht. Der Schwerpunkt liegt in der Mitwirkung bei der Konzeption und Realisierung von Ausstellungen. Eines der ersten Projekte, das ich betreuen durfte, war die Organisation einer internationalen Tagung zum Thema „Museum 2.0“, die sich dem Einsatz digitaler Formate wie Virtual und Augmented Reality im Museums- und Kulturbereich widmete. Darüber hinaus bin ich auch in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit involviert und erhalte Einblicke in die Kunstvermittlung. Zuletzt habe ich beispielsweise Besuchergruppen ganz unterschiedlichen Alters durch die vergangene Miró-Ausstellung geführt. Nun steht die Vorbereitung der nächsten Ausstellung mit Werken des US-amerikanischen Regisseurs und Videokünstlers Robert Wilson an. Requisiten seiner Theaterinszenierungen, eigene Arbeiten sowie Leihgaben aus seiner Sammlung werden ab dem 13. Mai zu sehen sein.
BBB: Welche Künstler inspirieren Sie?
Voßkamp: Mein Interesse gilt vor allem der deutschen und der französischen Kunst des 18. bis 20. Jahrhunderts. Inspiriert haben mich neben Max Ernst beispielsweise Künstler wie Rembrandt, Edvard Munch oder Otto Dix. Aber auch weniger bekannte Maler wie Gustave Caillebotte mit seinen ungewöhnlichen Bildausschnitten faszinieren mich.