"Wenn das Geld knapp ist, sparen die meisten bei der Ernährung”
Seit ihrer Gründung im März 2006 versorgt die heutige Tafel Brühl Rheinland e.V. bedürftige Menschen in Brühl mit Lebensmitteln. Rund die Hälfte der knapp 60 Mitglieder des Vereins engagiert sich Woche für Woche ehrenamtlich im Haus der Tafel in der Bonnstraße 21 nur wenige Meter entfernt vom Brühler Schlossparkstadion. Zweimal in der Woche verteilen die Helferinnen und Helfer Lebensmittel, die von zahlreichen Unternehmen, Einzelhändlern und Sponsoren gespendet werden. Am 12. Dezember kommen zu den Lebensmitteln auch noch Weihnachtsgeschenke dazu. Wir haben uns mit den Vorstandsmitgliedern Matthias Petran (1. Vorsitzende), Gabriele Wunder-Ohrem (Kassiererin) und Mechthild Echternach (Beisitzerin) unterhalten.
Es herrscht bereits ein geschäftiges Treiben im Haus der Tafel Brühl, lange bevor die ersten Kunden zur Verteilung der Lebensmittel eintreffen. Gerade hat eines der beiden Lieferfahrzeuge seine Ladung per Aufzug in den zweiten Stock des Gebäudes befördert. Nun werden die Nahrungsmittel sortiert und in die Regale gelegt. Es gibt mehrere „Stationen”, an denen Brot, Gemüse, Obst, Salat sowie Molkereiprodukte und abgepackte Wurstwaren erhältlich sind. Im gut ausgestatteten Haus der Tafel Brühl gibt es auch drei Lagerräume mit Kühltruhen, Kühlschränken und Tiefkühltruhen.
Überall wuseln die Helfer herum, damit pünktlich um 12 Uhr mit der Ausgabe, die jeweils dienstags und freitags erfolgt, begonnen werden kann. Dank der jahrelangen Erfahrung sind die Abläufe straff und effizient organisiert. „Aktuell hat sich der Zahl unserer Kunden auf rund 80 bis 90 pro Tag eingependelt”, berichtet Gabriele Wunder-Ohrem. „Vor Weihnachten dürfte die Zahl noch etwas höher werden.”
Diese Anzahl können die Helfer der Tafel gut bewältigen. Zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle vor drei, vier Jahren kamen fast noch doppelt so viele Menschen in die Bonnstraße. „Damals waren wir manchmal erst um 17 Uhr fertig”, erinnert sich Mechthild Echternach. Zurzeit sind gegen 15 Uhr alle Arbeiten erledigt.
Täglich werden Lebensmittel abgeholt
Es gibt viel zu tun. Auch an den Tagen, an denen die Tafel für den Publikumsverkehr nicht geöffnet ist. Jeden Tag holt das Fahrerteam die gespendeten Lebensmittel bei den Spendern ab und transportiert sie zum Haus der Tafel. Zwölf Fahrer wechseln sich täglich ab. Fünf bis sechs Helfer sortieren die Ware, auch drei Freiwillige leisten ihr soziales Jahr bei der Tafel Brühl ab. „Wir haben ein gutes Team, die Zusammenarbeit funktioniert bestens, die Stimmung ist gut”, freut sich der frisch ins Amt gewählte 1. Vorsitzende Matthias Petran. Ende November übernahm er den zwischenzeitlich vakanten Posten. Seine Stellvertreterin Ute Hauck gehört zu den Gründungsmitgliedern des Vereins.
Die Tafel Brühl Rheinland e.V. ist ein eingetragener Verein und versteht sich als eine Anlaufstelle für zahlreiche Hilfebedürftige aus Brühl und gleichzeitig als ein Ort der Begegnung. „Die Aufgabe der Tafel Brühl ist es, Lebensmittel zu retten und bedürftige Menschen durch die Weitergabe dieser Lebensmittel zu unterstützen”, sagt Mechthild Echternach. Das Vorstandsteam der Tafel Brühl ist schon lange dabei. Die Ehrenamtler engagieren sich gerne für den guten Zweck. Die Idee der Tafeln in Deutschland wurde 1993 geboren und hat seitdem eine rasante Entwicklung genommen. Die Tafeln übernehmen eine ganz wichtige Aufgabe und sind gar nicht mehr wegzudenken.
Die Tafel Brühl wird von zahlreichen Sponsoren unterstützt. Darunter finden sich nehmen den Filialen großer Ketten wie Aldi, Hit, Lidl, Rewe und Netto auch viele regionale und lokale Unterstützer wie Bäckerei Schneider, Cafe Guglhupf, Getränke Hausmann, Hofladen Heuser, Merl, Metzgerei Kuhl oder Patisserie Amadeus, die Lebensmittel spenden sowie branchenfremde Unternehmen, Geschäfte, Schulen und Institutionen, die die Tafel finanziell unterstützen.
„In Deutschland leben über elf Millionen Menschen in Einkommensarmut oder sind unmittelbar von ihr bedroht. Dazu zählen Erwerbslose, Alleinerziehende, Geringverdiener und Rentner”, berichtet Matthias Petran. „Viele von ihnen kommen trotz Sparsamkeit nur schwer über die Runden. Wenn das Geld knapp ist, sparen die meisten bei der Ernährung.”
Gleichzeitig fallen täglich in Supermärkten, Bäckereien etc. große Mengen von Lebensmittel an, die – obwohl qualitativ einwandfrei – im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet werden können. „Die Tafeln bemühen sich hier um einen Ausgleich”, sagt die Beisitzerin Mechthild Echternach.
Kunden zahlen 8 Euro pro Monat
Ein Schaubild, das in der Tafel Brühl hängt, zeigt, wie lange Lebensmittel trotzdem noch unbedenklich gegessen werden können, obwohl deren Verfallsdatum eigentlich erreicht ist. Bei Brot und Milch sind das zwei Tage, bei Molkereiprodukten und Schinken bis zu fünf Tage, bei Käse bis drei Wochen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Lebensmittel werden ausgegeben an bedürftige Menschen, denen das vom Sozialamt oder Jobcenter bestätigt wurde. Die Kunden zeigen ihren aktuellen Brühl-Ausweis oder eine andere anerkannte Bescheinigung vor und werden von der Tafel Brühl versorgt. Sie zahlen pro Monat 8 Euro für das Angebot. Momentan kommen überwiegend Menschen muslimischen Glaubens und Osteuropäer zur Tafel, der Anteil der Deutschen macht rund ein Viertel aus. „Viele frühere Stammkunden kommen nicht mehr”, sagt Gabriele Wunder-Ohrem. „Über die Gründe dafür können wir nur spekulieren. Wir wissen sie nicht.”
Am 12. Dezember werden Geschenke verteilt
In der Vorweihnachtszeit dürfte der Andrang wieder größer werden. Denn am 12. Dezember gibt es wieder Geschenke bei der Tafel Brühl. „In die Päckchen kommen vor allem haltbare Lebensmittel, aber auch Süßigkeiten, Dosen, Kerzen, Blumen und Spielzeug für kleine Kinder”, berichtet Matthias Petran. „Die stammen erneut von den großen Ketten, aber auch von Schulklassen, Kindergärten oder dem Johannesstift. Besonders die Geschenke von Kindern für Kinder sind sehr liebevoll addressiert.” Die Geschenke werden gerne genommen, vor allem von Familien mit kleinen Kindern. Probleme wie in manchen Tafeln im Ruhrgebiet, in denen Geschenke abgeschafft wurden, gibt es in Brühl zum Glück nicht.
In Brühl läuft bei der Tafel alles seit der Gründung im März 2006 sehr gesittet ab. Damals stand der Verein noch unter der Trägerschaft des SKFM e.V. Fünf Jahre später fand dann am 29. Juni 2011 die Gründungsversammlung der heutigen Tafel Brühl Rheinland e.V. statt. Viele ehrenamtliche Helfer unterstützen seitdem bereits die Idee der Tafel. Neue ehrenamtliche Helfer sind jederzeit herzlich willkommen.
Zu Beginn wurden noch ausschließlich soziale Einrichtungen in Brühl mit Lebensmittel beliefert. Im Juni 2007 konnte dann der erste Tafelladen dank der Unterstützung der Stadt Brühl in einem ehemaligen Jugendzentrum der Stadt Brühl eröffnet werden. Seitdem erfolgt die Lebensmittelausgabe direkt an bedürftige Brühler Bürger. Im Jahr 2010 bezog die Tafel Brühl die Räumlichkeiten in der Bonnstraße 21, die ebenfalls seitens der Stadt Brühl zur Verfügung gestellt worden sind. Die Tafel ist nicht nur dort aktiv, sondern beteiligt sich auch ansonsten am kulturellen Leben Brühls. So präsentierte sie sich mit einem eigenen Stand auch auf dem Agenda-Markt im September. Weitere Aktivitäten sind geplant.
Tobias Gonscherowski