Jahrgang 2022
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„Viel bewegt in 16 Jahren”
Im Max Ernst Museum Brühl des LVR geht Ende August eine Ära zu Ende. Der langjährige Museumsdirektor Dr. Achim Sommer verabschiedet sich in den Ruhestand. Zusammen mit dem im vergangenen Jahr in Rente gegangen Dr. Jürgen Pech bildete er eineinhalb Jahrzehnte ein kongeniales Führungsduo. Im persönlichen Gespräch mit dem Bilderbogen zieht der 65-Jährige eine positive Bilanz.

Am 1. Mai 2006 begann Dr. Achim Sommer offiziell seine Arbeit in Brühl. Das Max Ernst Museum war seinerzeit gut ein Dreivierteljahr zuvor eröffnet worden. Als Direktor der Kunsthalle in Emden hatte sich Sommer einen Namen gemacht. Als ihn der Anruf aus Brühl erreichte, war er ganz Ohr. Die Aufgabe reizte ihn. Bis heute. „Als ich nach Brühl kam, habe ich nicht damit gerechnet, 16 Jahre lang zu bleiben”, gesteht er. „Oft arbeitet man fünf bis zehn Jahre in so einer Position. Aber in Brühl habe ich die Situation vorgefunden, dass ich hier wirklich etwas aufbauen und mir im Laufe der Jahre ein großartiges und motiviertes Team zusammenstellen konnte, mit dem ich mich gemeinsam habe begeistern lassen. Und dann will man auch ernten, was man gesät hat.”

Im Interview mit dem Bilderbogen im Jahr 2006 kündigte Dr. Achim Sommer an, unter dem Motto „Rendezvous des amis” große Namen im Museum auszustellen zu wollen.

„Das entspricht dem Anspruch des Hauses und der Weltgeltung von Max Ernst”, sagte er damals. Er hat Wort gehalten. Den Anfang machte die Ausstellung „In Augenhöhe: Paul Klee” (2006).
Es folgten Ausstellungen u.a. zu Neo Rauch (2007), Tomi Ungerer (2008), David Lynch (2009), Christo und Jeanne-Claude (2010), Niki de Saint Phalle (2012), Man Ray (2013), Tim Burton (2015), M.C. Escher (2016), Jaume Plensa (2016), Miró (2017), Ruth Marten (2018), Joana Vasconcelos (2019), Möbius (2019), Max Beckmann (2020) oder aktuell zu Karin Kneffel.

Glückliches Händchen
Nicht nur bei der Auswahl der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler bewies Achim Sommer ein gutes Gespür, sondern auch bei der Zusammenstellung seines kleinen und kreativen Mitarbeiterteams. Von sich selbst und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern forderte der scheidende Museumsdirektor immer viel ein. „Man muss einen 110-prozentigen Anspruch haben und die Latte hochhängen, um das Optimum herauszuholen. In 16 Jahren haben wir viel bewegt.”

Dr. Achim Sommer hat sehr viel bewegt in seinen 16 Jahren in Brühl. Besonders stolz ist er darauf, digitale Vermittlungsformate in der Museumsarbeit befördert zu haben, um neue, auch kunstferne Zielgruppen und vor allem Kinder und Jugendliche anzusprechen. „Denn das sind die Besucher von morgen. Sie wollen auch digital erreicht werden”, erläutert Dr. Achim Sommer. „Bei der Escher-Ausstellung haben wir mit dem Cologne Game Lab der Uni Köln zusammengearbeitet, mit Spieleentwicklern aus der digitalen Werkstatt. Die Ergebnisse wurden unheimlich gut angenommen. Das 3-D-Feeling à la Escher war sehr gelungen.” Auch für andere Ausstellungen sowie für die Sammlung mit Werken von Max Ernst wurden eigene Apps entwickelt.

„Wunderbarer Arbeitsplatz”
Ein persönliches Highlight für Dr. Achim Sommer und sein Team war der Umzug der Verwaltung aus dem Museum in das Geburtshaus des Künstlers Max Ernst. „Das ist ein wunderbarer Arbeitsplatz”, weiß der Museumsdirektor. „Diese Kombination aus Museum und der Verwaltung im Geburtshaus ist einmalig. Viele Kolleginnen und Kollegen, die mich besucht haben, haben mich darum beneidet.”

Im Museum befindet sich noch ein repräsentatives Büro, in dem Künstlerinnen und Künstler, Leihgeberinnen und Leihgeber empfangen und Verhandlungen geführt werden. „Mein Büro im Max Ernst Geburtshaus ist eher das Studierzimmer unterm Dach mit studentischem Touch. Das gefällt mir.”



Express titelte „Pornoalarm im Museum”
In den 16 Jahren gab es auch viele Zwischenfälle zum Schmunzeln. „Die witzigste Schlagzeile im Express war: „Pornoalarm im Museum“. Das war bei David Lynch”, erinnert sich Sommer. „Er hatte Aktfotografien aus dem 19. Jahrhundert digital verfremdet. Wegen der erotischen Komponente waren nicht alle Arbeiten für die Augen von Kindern geeignet”, sagt der Museumsdirektor. „Verantwortungsvoll wie ich bin, habe ich die Altersfreigabe auf 16 Jahre festgelegt. Dafür habe ich den einen oder anderen Schmunzler bekommen; heute ist man im Umgang mit diesem Material weitaus geübter.”

Das Max Ernst Museum liefert immer hohe Besucherzahlen. Absoluter Höhepunkt in dieser Hinsicht war die Ausstellung „The World of Tim Burton”, die rund 100.000 Besucherinnen und Besucher anlockte. Der berühmte Hollywoodregisseur (Bild rechts) war im persönlichen Umgang übrigens „sehr pflegeleicht”, wie Sommer berichtet.

„Er hatte extra jemanden in seiner Entourage, der für eine Wohlfühl-Atmosphäre und gute Laune zuständig war und ihm ein Freizeitprogramm erstellt hatte. Im Phantasialand sind sie die spektakulärsten Attraktionen gefahren, teilweise bis zu dreimal hintereinander. Er hat sich wie ein großes Kind darüber gefreut. Tim Burton war immer freundlich, ein bisschen scheu und zurückhaltend, aber gar nicht exzentrisch. Ich habe dagegen andere Künstler erlebt, bei denen ich meine restlichen nichtgrauen Haare verloren habe.”

Jetzt geht also die „Summertime" langsam zu Ende. In Brühl hat sich Dr. Achim Sommer immer wohl gefühlt, seit fünf Jahren auch einen zweiten Wohnsitz in der Stadt gehabt. „Brühl ist meine zweite Heimat neben Bonn. Ich habe mich mit der Stadt identifiziert. Mit dem Museum, dem Geburtshaus, dem Schlosspark, mit dem kulturellen Leben der Stadt …“ Er wird auch erstmal hier wohnen bleiben, wenn er in Rente ist und alles auf sich zukommen lassen. Über seine nächsten Projekte im „Unruhestand“ verrät er nichts. Auf neugierige Fragen danach entgegnet er frech: „Ich gehe jetzt nach Südafrika und bestelle den Weinberg, den ich geerbt habe. Spaß beiseite. Ich freue mich darauf, über meine Zeit selbst bestimmen zu können, dass ich sozusagen als ,Freelancer’ mein Leben gestalte.”  

Weitere Ausstellungsprojekte im Max Ernst Museum Brühl des LVR sind bereits von ihm auf den Weg gebracht, so eine Ausstellung mit Max Ernst in Fotografien im Herbst oder eine zum surrealistischen Werk von Alberto Giacometti ab September 2024. Dem Museum wünscht er, „dass es genauso erfolgreich und engagiert weitergeht wie bislang. Und dass viele neue Projekte angestoßen werden, über die ich selbst staunen kann. Das fände ich toll.”

Tobias Gonscherowski

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