„Durch den Dialog Berührungsängste abbauen”
Vor zehn Jahren wurde in Brühl-Vochem eine bemerkenswerte Idee geboren. In dem Stadtteil mit einem Ausländeranteil von fast zwanzig Prozent beschloss der Pfarrgemeinderat St. Matthäus, Informationsveranstaltungen zu den verschiedenen Weltreligionen anzubieten und die gemeinsamen Werte von Islam, Buddhismus, Judentum und Christentum zu betonen. Durch diese Veranstaltung entstand ein Dialog mit dem Islamischen Gemeindezentrum Brühl, der bis heute anhält und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zwischen Christen und Muslimen führte.
Erst vor wenigen Tagen fand die achte gemeinsame Veranstaltung im Rahmen des „Interreligiösen Dialogs“ in Brühl-Ost statt. Wir haben uns mit den Initiatoren zum persönlichen Gespräch getroffen, mit Dieter Högner, der lange Zeit im Vochemer Pfarrgemeinderat mitarbeitete, und mit Hasan Güngör und Mehmet Özdogan vom Islamischen Gemeindezentrum.
Der große Saal des Islamischen Gemeindezentrums, Berger Straße 78, war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die beiden Referenten über das Thema „Gott und den Nächsten lieben“ sprachen. Zum einen der Islamwissenschaftler Bekir Alboga, der turnusmäßig Vorsitzender des von Muslimen gegründeten Koordinationsrates der Muslime in Deutschland war, darüber hinaus gehört er der von Innenminister Schäuble initiierten Islamkonferenz an, zum anderen der in Brühl lebende Theologe Werner Höbsch, der zugleich Leiter des Referats für Interreligiösen Dialog des Erzbistums Köln ist. Die beiden begegneten sich bei der Podiumsdiskussion nicht zum ersten Mal. Im Gegenteil. Sie haben gemeinsam (zusammen mit Georg Bienemann) das Buch „Christen und Muslime Tür an Tür. Basiswissen kompakt“ geschrieben.
„Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten in beiden Religionen. Wir nutzen diese Gemeinsamkeiten“, sagt Dieter Högner. „Sicherlich gibt es auch Unterschiede, aber die sollen uns nicht daran hindern, aufeinander zuzugehen.“ Der 68-Jährige war dabei, als vor rund zehn Jahren die ersten Begegnungen stattfanden. „Damals wie heute ging es darum, sich kennenzulernen und gegenseitig zu akzeptieren. Wir wollen uns nicht gegenseitig missionieren.“
Die von ihm mitgegründete „Initiative von Muslimen und Christen in Brühl“ hat sich das Motto „Christen begegnen Muslimen, Muslime begegnen Christen“ gesetzt. Dieses schlichte Begegnen war anfangs gar nicht so leicht in die Tat umzusetzen. Das lag einerseits daran, dass das bereits 1974 gegründete Islamische Gemeindezentrum, dem vor allem Mitbürger türkischer Nationalität angehören, bis zum Jahr 2001 keine eigenen Räumlichkeiten besaß und vorübergehend mal in einem Haus in der Schützenstraße, mal in einem Pavillon der Clemens-August-Schule und der Franziskus-Schule untergebracht war. Zum anderen mussten sich die türkischen Mitbürger überwinden, wenn sie ein christliches Gotteshaus betreten sollten. So traf man sich meistens Pfarrsaal in Vochem.
Dann fand das Islamische Gemeindezentrum im Jahr 2001 an der Berger Straße eine feste Bleibe. „Anfangs waren wir skeptisch, weil es nicht zentral und so weit außerhalb liegt“, gesteht Hasan Güngör, der Mitglied im Gemeindezentrum ist. „Aber es war genau die richtige Entscheidung. Wir können jetzt große Veranstaltungen ausrichten, die in der Innenstadt gar nicht möglich wären. Wir stören hier niemanden und uns stört niemand. Wir haben genügend Parkplätze und größere Räumlichkeiten. Man kann hier einiges machen.“
Runde 1.000 Besucher des Gemeindezentrums kommen Woche für Woche. „Wir sind eine sehr lebendige Gemeinde“, bestätigt Mehmet Özdogan. Fünfmal am Tag wird gebetet, freitags findet das Wochengebet statt. Für die Jugendlichen gibt es die Möglichkeit, Tischtennis oder Billard zu spielen. Am Wochenende stehen Fußballübertragungen der türkischen Liga auf dem Programm. Ferner wird den Kindern auf türkisch, arabisch und auch deutsch der Gemeindeunterricht über Religion erteilt.
Viele gemeinsame Aktionen
Seit dem Umzug nach Brühl-Ost finden jetzt auch regelmäßig im Islamischen Gemeindezentrum gemeinsame Aktionen der Initiative von Brühler Christen und Muslimen statt. Diese Initiative ist übrigens kein eingetragener Verein, sondern eine Initiative mit offizieller Trägerschaft. Gemeinsame Träger sind der Dekanatsrat der Katholiken in Brühl, das Islamische Gemeindezentrum Brühl und seit Jahresbeginn auch die Evangelische Kirchengemeinde Brühl. Am gemeinsamen Arbeitskreis beteiligt sich weiterhin auch der Pastor der Freien evangelischen Gemeinde. Auch mit der Griechisch-Orthodoxen Kirchengemeinde Brühl ist man im Gespräch.
In jedem Jahr finden mehrere gemeinsame Aktionen statt. Traditionell im März, in der Fastenzeit der Christen und der Gebetszeit der Muslime, gibt es Veranstaltungen wie jene, die kürzlich ausgerichtet wurde. „Wir laden zu einem bestimmten Thema zwei Referenten ein, die darüber aus muslimischer und christlicher Sicht berichten und führen anschließend eine offene Diskussion“, erklärt Dieter Högner. Die verläuft auch schon einmal kritisch, temperamentvoll und kontrovers. Und das ist gut so. Tradition haben auch Veranstaltungen am 3. Oktober, der nicht nur der Tag der deutschen Einheit ist, sondern auch seit Jahren der Tag der offenen Moschee. Bereits im Jahr 1999 haben Brühler Christen eine Kölner Moschee besucht, später schauten sich Vertreter beider Gruppen die katholischen Kirchen in Kierberg, Vochem und die Brühler Schlosskirche an. „Es hat mit wenigen Personen angefangen und sich dann kontinuierlich erweitert“, erinnert sich Mehmet Özdogan. „Es kamen immer mehr Leute dazu.“
Hasan Güngor hat die positive Erfahrung gemacht, dass „durch die vielen Begegnungen und den Dialog Berührungsängste weg sind, wenn man die Leute nach den Veranstaltungen auf der Straße wieder trifft. Vorher sind die Menschen eben vorsichtig, wenn sie etwas nicht kennen.“ So leistet die Initiative einen wichtigen Beitrag für das glücklicherweise friedliche Zusammenleben der Menschen unterschiedlichen Glaubens in Brühl.
Wunsch nach Brühler Moschee
Seit 1980 lebt Hasan Güngör in Deutschland. Als 15-Jähriger kam er aus dem türkischen Artvin am Schwarzen Meer nach Brühl, erlernte die deutsche Sprache, die er heute fließend spricht, und wurde Kfz-Mechaniker. Er arbeitet in Rodenkirchen ist verheiratet und Vater von vier Kindern, drei Jungs und einem Mädchen. Er besitzt einen deutschen Pass. Auch Mehmet Özdogan hat einen deutschen Ausweis. Der heute 45-Jährige übersiedelte aus dem westtürkischen Bursa ebenfalls 1980 nach Deutschland. Seit 1984 arbeitet der verheiratete Familienvater eines Sohnes im Brühler Eisenwerk. Beide wünschen sich noch den Bau einer Brühler Moschee. „Der Bedarf ist da. Das Grundstück haben wir auch schon“, sagt Hasan Güngör. Es fehlt jedoch noch am Geld.
Mehmet Özdogan und Hasan Güngör engagieren sich seit Jahren an der Seite von Dieter Högner und anderen in der Initiative und setzen sich dafür ein, dass in Brühl keine Parallelgesellschaften entstehen. Sie wirkten auch daran mit, die „Grundsätze und Ziele des Dialogs“ ganz „offiziell“ zu Papier zu bringen. Darin bekennen sich beide Seiten u.a. dazu, „dass die Würde des Menschen unantastbar ist, die Würde eines jeden Kindes, einer jeden Frau und eines jeden Mannes. Der Dialog ist geleitet vom Interesse am Anderen und getragen vom Respekt seiner Person und seines Glaubens.“
Die „Instrumentalisierung von Religion zur Verbreitung von Hass und zur Rechtfertigung von Gewalt“ wird abgelehnt. Jedem Menschen „wird das Recht auf seine eigene Religion“ zugebilligt. Der Schlusssatz lautet: „Im Dialog suchen wir nach Wegen, das Miteinander von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft und religiöser Beheimatung friedlich zu gestalten. Als Brühler Christen und Muslime wollen wir uns für Frieden und Gerechtigkeit zum Besten der Stadt einsetzen.“ Und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Tobias Gonscherowski