„Nach der kalten Sophie fällt der Startschuss zur Bepflanzung“
Kalendarisch ist der Frühling zwar schon da, und auch temperaturmäßig wurden wir bereits an einigen warmen Tagen im März und April sehr verwöhnt. Doch das hat für Carmen Freye und ihr Team noch nicht so viel zu sagen. Die stellvertretende Gärtnerische Leiterin der Schlossgärten und -parks der Brühler Schlösser Augustusburg und Falkenlust geht auf Nummer sicher. Die neue Bepflanzung erfolgt erst nach den Eisheiligen, die in diesem Jahr auf den Zeitraum vom 11. bis 15. Mai fallen. Dann werden die Parks fit für den Sommer gemacht, dann werden rund 20.000 Pflanzen gepflanzt, die die Garten- und Parkanlage zur Freude aller Brühler und der vielen Touristen unglaublich verschönern werden.
Carmen Freye ist seit einem knappen halben Jahr in Brühl. Vorher war sie Leiterin des historischen Staatsparks Wilhelmsbad, der zur Verwaltung der „Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen” gehört. Acht Jahre hat sie dort in der Nähe von Hanau gearbeitet, vor 19 Jahren erlernte sie ihren Beruf. Dass sie Gärtnerin wurde, ergab sich fast zufällig. Nach der Schule war sie auf dem Arbeitsamt und bekam zwei Jobangebote. „Ich hatte die Wahl zwischen Köchin im Seniorenwohnheim und Gärtnerin im Schlossgarten“, erzählt sie. Die Wahl fiel ihr nicht schwer. Zusammen mit ihrer Tante Heike, die ein Blumengschäft besaß, ging sie zum Vorstellungsgespräch, überließ ihrer Tante das Reden und wurde schließlich eingestellt.
„Es war die absolut richtige Entscheidung“, sagt Carmen Freye heute. Der Beruf macht ihr nach wie vor große Freude. Sie begann als Zierpflanzengärtnerin in Bad Homburg, machte später auch eine Ausbildung zur Gartenbautechnikerin, absolvierte auch eine Weiterbildung als Baumkletterin, die angeseilt in Baumkronen Schneidearbeiten verrichten kann, und verfügt nun über ein derartig vielseitiges Portfolio an unterschiedlichen Fachkenntnissen, dass sie nun auch in Brühl mit viel Schwung und Dynamik ihre Aufgaben angeht. Gereizt hat sie vor allem, dass es sich bei den Brühler Schlössern und seinen Gärten um ein UNESCO Welterbe handelt, das auch noch in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert.
Kaum in Brühl angekommen, bekam sie schon den Rat, sich ein Fahrrad auszusuchen, um die teilweise großen Distanzen in der Parkanlage zurücklegen zu können. Schnell wurde ihr so bewusst, um welche Dimensionen es in Brühl geht, welche Entfernungen zurückgelegt werden müssen. Darüber hinaus ist es auch eine interessante und reizvolle Aufgabe, sich beispielsweise in „Sommerbepflanzungspläne“ aus dem Jahr 1693 zu vertiefen. Denn in Brühl ist klar geregelt, wie die Gärten etwa in den Bereichen Barock, Parterre oder im Rosengarten auszusehen haben, was dort angepflanzt wird und was nicht.
Pflanzen kommen zum Teil aus Kenia
Es gibt immer viel Arbeit. In diesem Winter konnten Carmen Freye und ihr aus 14 weiteren Mitarbeitern bestehendes Team dank des milden Wetters viele Aufgaben erledigen, die sonst bei Schnee und Eis nicht getan werden können. „Wir konnten die Kanten bei 400 Kastenlinden schneiden, wir konnten Unkraut beseitigen“, berichtet die stellvertretende Leiterin. Den Besuchern ist das auch aufgefallen, es gab schon viel Lob für den guten Zustand der Wege und Wiesen. Auch die Fontänebecken wurden gesäubert, die Becken mit Wasser befüllt.
Augenblicklich laufen die Vorbereitungen auf die Sommerbepflanzung. In den vier großen Gewächshäusern gedeihen die Pflanzen. Dabei kommt vor allem auch Biodünger zum Einsatz. Derzeit stehen in diesen Gewächshäusern auch die teilweise über 200 Jahre alten Lorbeerbäume, die bereits mit eigens dafür angefertigten Schablonen geschnitten wurden. Bald auch werden die Pflanzenlieferungen aus der ganzen Welt eintreffen. Die Halbfertigware kommt aus Betrieben in der Region genauso wie per Flugzeug aus Kenia. In Brühl angekommen werden die Pflanzen getopft, gedüngt, gegossen, kurz: gehegt und gepflegt.
Nach den Eisheiligen und der „kalten Sophie“ fällt der Startschuss für die Bepflanzung. Nachtfrost ist nicht mehr zu erwarten, auf Hochtouren wird gearbeitet. Die Beete werden vorbereitet, umgegraben, der so genannte „Eselsrücken“ wird angelegt. Dies ist eine leichte Erhöhung zur Beetmitte hin, die dafür sorgt, dass die Pflanzen und Blumen besonders schön zur Entfaltung kommen. Dann werden die Pflanzen gepflanzt: Löwenmäulchen, Kugelamaranths, Begonien, Tagetes und viele mehr. Und das alles nach exakten Vorgaben und alten Traditionen wie jenen des englischen Landschaftsgartenbaus. „Grundsätzlich bleiben wir bei den gleichen Pflanzen“, sagt Carmen Freye. „Nur bei den Farben gibt es kleinere Unterschiede.“ Etwas konventioneller geht es im Jardin Secret zu, in dem auch botanisch gelegentlich etwas getestet werden kann.
Interessante Flora und Fauna
Die Zahlen sind beeindruckend: Rund 20.000 Pflanzen werden ausgetopft, gepflegt und bewässert. Im Schlosspark gibt es 7,5 Kilometer Buchsbäume. Es gibt diverse Gärten, den großen Park, es handelt sich auch um ein Naturschutzgebiet mit den entsprechenden Vorschriften und Regelungen. Nicht nur die Pflanzenwelt ist interessant, auch einige nicht alltägliche tierische Bewohner wie die Haselmaus, bestimmte Krebsarten und auch einige Schildkröten fühlen sich hier wohl.
Das Gleiche gilt auch für Carmen Freye, die ihre Aufgaben täglich mit großem Enthusiasmus angeht. 36 Jahre alt ist die dynamische, in Hannoversch Gmünden geborene Frau, die schon immer praktisch und mit ihren Händen arbeiten wollte. „Als Kind habe ich Fernseher repariert, später wollte ich Schreinerin werden, bekam aber keine Lehrstelle, weil keiner Mädchen einstellen wollte“, erinnert sie sich. Mit ihren Händen kann sie auch in den Garten- und Parkanlagen der Brühler Schlösser fleißig arbeiten. Und wundern Sie sich nicht, wenn Carmen Freye hoch oben über Ihren Köpfen in den Baumkronen Äste schneidet. Auch das gehört zum Job.
Tobias Gonscherowski